Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Grünmantel

<p>In dem wüstesten und grauenvollsten Teile des Riesengebirges stand eine kleine Hütte&comma; in der ein armer Köhler&comma; namens Erdmann&comma; mit seinem Sohne Konrad lebte&period; Konrad war ein hübscher&comma; lebhafter und sehr gutartiger Knabe&comma; dessen liebste Beschäftigung es war&comma; in den Feierstunden — denn er mußte seinem Vater fleißig arbeiten helfen&comma; obgleich er kaum elf Jahre alt war&comma; — durch das Gebirge zu streifen&comma; das am meisten verrufen war&comma; weil man glaubte&comma; daß Rübezahl dort sein Wesen treibe&period; Aber gerade an diesem Platze spielte er mit seinen Schulkameraden am liebsten&comma; und es vergnügte sie am meisten&comma; mit kleinen Steinen und Blechmarken Anschlag zu werfen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Seit einiger Zeit fanden die Knaben&comma; wenn sie dies ihr Lieblingsspiel trieben&comma; kleine Silberpfennige im Sande&comma; was jedoch keinem von ihnen befremdlich war&comma; da sie den Wert dieser Münzen nicht kannten und daher nie daran dachten&comma; danach zu suchen&period; Spielte der Zufall einem oder dem andern einen solchen glänzenden Pfennig zu&comma; so war’s allemal eine laute Freude&semi; doch waren die Kinder noch alle in dem glücklichen Alter&comma; wo Habsucht oder unnütze Grübeleien ihrer Seele fremd waren&semi; und so dachten sie auch nicht weiter über den Zusammenhang nach&comma; als sich zuletzt bei ihren Spielen auch ein fremder Mann einfand&comma; den sie&comma; seiner Kleidung wegen&comma; den Grünmantel nannten&period; —<&sol;p>&NewLine;<p>Grünmantel schien ein Freund der Kinder zu sein&comma; er teilte ihre Spiele oder lehrte sie auch ganz neue&period; Immer fand er die meisten Silberpfennige und verteilte sie unter die Knaben&comma; so daß diese ihn bald recht lieb gewannen&comma; und gern gewußt hätten&comma; woher er komme und gehe&semi; denn er verschwand jedesmal spurlos und stand auch immer ebenso unvorhergesehen mitten unter ihnen&period; Da er aber diese Fragen nicht beantwortete&comma; wurden sie ebenso rasch von den kleinen Burschen wieder vergessen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zuweilen aber maßte sich ihr unbekannter Spielgefährte das Richteramt über sie an&comma; wenn kleine Streitigkeiten zwischen ihnen vorkamen&comma; und wer im Unrecht war&comma; der konnte sich immer darauf gefaßt machen&comma; einige derbe Hiebe von dem Grünmantel zu bekommen&comma; ohne das dieser ein Wort dabei sprach&period; Oft verjagte er die ganze Knabenschar bis auf Konrad&comma; für den er ein ganz besonderes Wohlwollen zeigte&semi; er nahm alsdann diesen bei der Hand und führte ihn zwischen Klippen und Felsen zu überraschenden Punkten hin&comma; zeigte ihm auch goldene Münzen im Sande&comma; mit denen Konrad auch gern spielte&comma; sie aber achtlos wieder verlor&period; Die vielen Wunderlichkeiten des Grünmantels verscheuchten nach und nach die kleinen Burschen von ihrem Spielplatze&comma; und nur Konrad ließ sich nicht abhalten&comma; immer wieder dahin zurückzukehren&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war auch nicht einsam dort&comma; denn nun fehlte der Grünmantel selten und fing jetzt an mit dem Knaben zu sprechen&comma; was er nie zuvor getan hatte&period; Er wußte allerlei hübsche Geschichten zu erzählen und beschenkte seinen kleinen Freund oft mit Goldstücken&comma; wogegen er sich das Versprechen der tiefsten Verschwiegenheit über alles dies geben ließ&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Konrad dachte&colon; dabei kann ja nichts Unrechtes sein&comma; und versprach dem Grünmantel mit Hand und Mund&comma; er wolle es nie einem Menschen sagen&comma; daß er mit ihm zusammentreffe und so schönes Spielzeug von ihm bekomme&period; Und er hielt auch treulich Wort&comma; denn er fürchtete&comma; seinen lieben Spielgefährten sonst zu verlieren&period; So verging Sommer und Herbst in Lust und Freude&semi; allein nun kam der Winter&comma; und der tiefe Schnee verwehrte dem Knaben&comma; seinen Freund auf dem Berge zu besuchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In dieser Zeit erkrankte auch Konrads Vater&comma; und der Schäfer des Dorfes gab wenig Hoffnung&comma; daß es mit ihm noch einmal besser werden würde&period; Einen Arzt anzunehmen&comma; war Erdmann zu arm&comma; und so wankte er denn seinem frühen Grabe zu&period; Natürlich war an Verdienst nicht mehr zu denken&comma; und es fehlte oft selbst an den schmalen Bissen&comma; die Vater und Sohn zu ihrem Unterhalte bedurften&period; Wie leicht hätte Konrad aller Not ein Ende machen können&comma; wenn er den Wert seiner goldenen Spielpfennige gekannt hätte und vor seinem Vater keine Heimlichkeiten gehabt hätte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So mußte&comma; als alles andere verzehrt war&comma; auch noch die Ziege verkauft werden&comma; die Konrad so lieb hatte&semi; wie traurig war der arme Knabe&comma; als er sie am Strick nach dem nächsten Dorfe führen mußte&comma; um sie dort zu verkaufen&period; Da begegnete ihm ein alter Mann&comma; der ein Gespräch mit ihm anfing&comma; und als er hörte&comma; daß Konrad die Ziege verkaufen wollte&comma; gab er ihm ein Goldstück dafür und wollte mit der Ziege seines Weges ziehen&period; Als aber der Knabe das Goldstück in der Hand hielt&comma; schüttelte er den Kopf und sagte&colon; „Guter Mann&comma; solcher blanken Dinger habe ich viele zu Hause&comma; dafür kann man aber nichts kaufen&comma; die sind nur zum Spielen&period; Nehmt es also nur wieder zurück und gebt mir Silbergeld dafür&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Kleiner Tor&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; lachte der Mann&comma; „mache einmal die Probe&comma; was mehr gilt&semi; hier hast du einen Silbergroschen und hier das Goldstück&comma; lauf’ ins Dorf und siehe&comma; wofür du das meiste Brot bekommen wirst&period; Ich will hier auf dich warten&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Konrad gehorchte&comma; ließ seine Ziege dem Fremden und ging ins Dorf zu einem Manne&comma; der ehrlich genug war&comma; ihn mit dem vollen Werte des Goldstückes bekannt zu machen und ihm nun allerlei Bedürfnisse für das Haus einkaufen zu helfen Damit kehrte Konrad wohlbehalten zurück&comma; fand aber den fremden alten Mann nicht mehr wieder und eilte nun zu seinem Vater&period;<&sol;p>&NewLine;<p>An der Schwelle des Hauses sprang ihm seine liebe Ziege lustig entgegen&period; „Ein Fremder&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Vater&comma; „hat sie mir heimgebracht&semi; er habe sie im Walde gefunden&comma; sagte er&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Darüber erstaunte Konrad nicht wenig und erzählte nun auch sein Abenteuer mit dem fremden&comma; alten Manne&period; Von dem übrigen Gelde und den eingekauften Lebensmitteln konnten nun Vater und Sohn länger als eine Woche zehren und dankten Gott dafür&comma; daß er ihnen eine so wunderbare Hilfe geschickt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber die nahrhaftere Kost&comma; die Konrad für den Kranken herbeigeschafft hatte&comma; schadete diesem und mehrte seinen Fieberzustand so sehr&comma; daß es schien&comma; als&comma; sei sein Tod nahe&period; Es kamen nun einige seiner Bekannten aus dem Dorfe&comma; um ihm in den letzten Augenblicken beizustehen&semi; darunter war auch der Mann&comma; welcher dem kleinen Konrad das Goldstück eingewechselt hatte&period; Der sagte zu dem weinenden Knaben&colon; „Gehe hinaus in die frische Luft&comma; dein Vater wird schon wieder gesund werden&comma; und wenn nicht&comma; will ich dein Vater sein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Traurig ging Konrad hinaus und richtete seinen Fuß nach dem bekannten Berge&comma; wo er sonst so oft seinen lieben Grünmantel getroffen hatte&period; Es lag noch Schnee an einzelnen Stellen des Berges&comma; während unten im Tale schon voller Frühling war&period; Für alle Schönheiten der Natur aber hatte der betrübte Knabe jetzt kein Auge&comma; er legte sich in das weiche Moos und weinte still&period; Tief unter ihm brauste der Sturzbach&comma; und das Gesträuch hatte eine grüne Färbung angenommen von den aufschwellenden Knospen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Worüber weinst du denn so sehr&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; sprach eine bekannte Stimme hinter ihm&comma; und Konrad schlug freudig überrascht seine geschwollenen Augen zu der Gestalt seines Freundes Grünmantel empor&period; „Steh auf&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte dieser&comma; „und erzähle mir dein Leid&comma; vielleicht kann ich helfen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; antwortete der Knabe schluchzend&comma; „hier ist alles so schön und drunten in unserer Hütte ist es gar so traurig&period; Mein lieber Vater stirbt&comma; und ich bin dann verlassen und allein in der Welt&period;&OpenCurlyDoubleQuote; —<&sol;p>&NewLine;<p>„Sieh einmal diesen wilden Rosenbusch an&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Grünmantel&comma; „wie ihn der Frühling wieder frisch und grün gemacht hat&comma; so daß schon hin und wieder die ersten Blüten aufbrechen&period; Und nun denke daran&comma; wie dürr und kahl er im Herbste stand&comma; so daß du glaubtest&comma; er könne nie wieder blühen&period; — Sammle das frische Laub von diesem Strauche und bestreue deines Vaters Lager damit&comma; vielleicht&comma; daß die gesunkenen Kräfte sich noch einmal dadurch stärken lassen&period; Aber eile&comma; denn die Zeit ist kurz&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Konrad nahm sich kaum Zeit&comma; dem Grünmantel zu danken&comma; er füllte seine Mütze ganz mit Rosenlaub und trug davon soviel in den Händen&comma; als er fortbringen konnte&period; Eilig lief er damit den Berg hinab&comma; der Hütte zu&comma; und überstreute das Bett des Kranken mit dem duftenden Laube&period; Davon schlug der Vater die Augen auf und drückte dem Knaben schwach die Hand&comma; aus Freude über den stärkenden Geruch&period; Und sichtbar ging eine Veränderung mit ihm vor&comma; die alle in Staunen setzte&period; Schon am dritten Tage konnte er&comma; auf Konrad und den Nachbar gestützt&comma; das Bett verlassen und sich vor die Hütte in den milden Sonnenschein setzen&period; „Wie ist doch so großes Wunder an mir geschehen&comma; der ich schon zu sterben meinte&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte er freudig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Darum müßt ihr den Konrad befragen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; antwortete der Nachbar&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte dieser unbefangen&comma; „vielleicht hat euch das junge Laub geholfen&comma; was ich auf euer Lager gestreut habe&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wie bist du denn zu dieser Wunderarzenei gekommen&comma; mein Sohn&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Konrad schwieg verlegen&semi; — er dachte an das Versprechen&comma; gegen niemand sein Geheimnis mit dem Grünmantel verraten zu wollen&period; Und lügen hatte er&comma; gottlob&excl; nicht gelernt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Er wird das Rosenlaub wohl auch daher haben&comma; von wo er seine Ziege wiederbekommen hat&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Nachbar spottend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gewiß&comma; ich habe den fremden Mann&comma; dem ich die Ziege verkaufte&comma; nicht gekannt&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Konrad lebhaft&comma; „und habe ihn weder zuvor&comma; noch später gesehen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Um so besser&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; fuhr der Nachbar mit höhnischer Miene fort&comma; „wirst du den kennen&comma; der dir den hübschen Vorrat von Goldstücken gab&comma; die du so heimlich in deine Kammer versteckt hast&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; —<&sol;p>&NewLine;<p>„Wie&comma; mein Kind&excl; Du hättest Gold gehabt und deinen Vater doch so lange Not leiden lassen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte Erdmann vorwurfsvoll&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Vater&comma; man kann ja damit nur spielen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; flüsterte Konrad schüchtern&period; „Aber ich will dir alles erzählen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun teilte ihm der Knabe in voller Wahrheit alles mit&comma; obgleich er es nicht ohne geheimen Widerwillen tat&comma; weil sein Freund Grünmantel es ihm ja verboten hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das ist niemand anders gewesen&comma; als der Herr des Riesengebirges&comma; der gefürchtete Rübezahl&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Erdmann freudig&comma; „er hat unserer Not nun auf immer ein Ende gemacht&period; Da er aber die Übertretung seiner Gebote oft streng zu bestrafen pflegt&comma; wollen wir eilen&comma; aus seinem Gebiete zu kommen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun holten sie die Goldstücke aus der Hütte&comma; packten ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und zogen in eine andere Gegend Schlesiens fort&comma; um vor der Rache des Berggeistes sicher zu sein&semi; dort kaufte Erdmann ein hübsches Häuschen und erzog Konrad zu einem braven&comma; fleißigen Menschen&comma; dem es stets wohl erging&period; Oft dachte dieser noch in den spätesten Jahren seines Lebens mit dankbarem Herzen an seinen lieben Gespielen Grünmantel&period;<&sol;p>