Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Rübezahl macht einem Förster einen Zopf

<p>In dem Dorfe Brückenberg&comma; das schon sehr hoch im Gebirge liegt&comma; und wohin der König von Preußen einst eine norwegische Kirche bringen und aufstellen ließ&comma; lebte vor langen Zeiten ein Förster&comma; von dem die Rede ging&comma; daß er wacker aufzuschneiden verstehe&comma; und seine Jagdgeschichten&comma; die er den Leuten stets sehr bereitwillig erzählte&comma; erinnerten etwas stark an Münchhausens wundervolle Begebenheiten&period; Oft log er den Bauern am Sonntag im Wirtshause so viel vor&comma; daß sie nicht mehr wußten&comma; wo ihnen der Kopf stand&semi; Rübezahl hörte das&comma; hatte aber lange Zeit Nachsicht mit dem Förster&comma; weil er sonst eine gute Haut war&comma; den die Leute bis auf seine seltsamen Jagdgeschichten auch recht gern hatten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Einstmals aber hatte er seinen Gevatter&comma; den Pfarrer in Seydorf&comma; besucht&comma; und dieser gab ihm am Abende das Geleit&period; Während sie nun langsam den Berg hinaufstiegen&comma; der nach der Anna-Kapelle und den weiterhin liegenden Gräbersteinen führt&comma; kam der Förster auch wieder auf seine Jagdabenteuer und fing zu erzählen an&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ihr könnt es mir glauben&comma; Herr Gevatter&comma; mir ist manches passiert&comma; was andere gern um vieles Geld erleben möchten&comma; und nun sticht sie der Neid&comma; daß sie mir die helle Wahrheit nicht glauben mögen&period; Denkt nur einmal z&period; B&period;&comma; wie es mir in Polen ging&comma; an dem ungeheuren Schlawer-See&comma; wo die größten Grausamkeiten von den Seeräubern verübt werden&semi; mir schaudert noch die Haut&comma; wenn ich mich derselben erinnere&period; Aber das wollte ich eigentlich nicht erzählen&comma; sondern&comma; wie ich im Dämmerlichte einmal hinaus in den Wald gehe&comma; da sehe ich ein braunes Tier&comma; das sich langsam in der Schonung hinbewegt&period; Halt&comma; denke ich&comma; das ist gewiß eine Kuh&semi; ich war schon lange ohne Fleisch gewesen&comma; nahm mein Rohr an den Backen und Schoß&period; Stellt euch nun aber mein Erstaunen vor&comma; als ich hinspringe und einen Frosch — einen Riesenfrosch&comma; so groß wie ein Ochs&comma; getroffen habe&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gevatter&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; fiel ihm hier der Pfarrer in die Rede&comma; „ihr werdet doch mit euch handeln lassen&semi; der Frosch wird denn doch wohl etwas kleiner gewesen sein&comma; als ihr mir weismachen wollt&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; auch nicht einen Zoll breit habe ich ihn vergrößert&comma; er war wie ein tüchtiger Ochs&semi; ich habe ihm die Haut abgezogen und sie gerben lassen&period; Daraus ließ ich mir ein Paar Beinkleider&comma; eine Weste und einen Pelzrock machen&comma; und sie ist so fest und wasserdicht&comma; daß ich tagelang im Regen auf dem Anstande stehen oder im Sumpfe waten kann&comma; ohne mir nur die eigene Haut feucht zu machen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ei&excl; die Geschichte ist sehr merkwürdig und klingt genau&comma; als ob sie nicht wahr wäre&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nicht wahr&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fuhr der Förster auf&semi; „das haben mir schon viele außer euch gesagt&semi; aber wie werdet ihr staunen&comma; wenn ich euch eine viel merkwürdigere Geschichte erzähle&period; Ich hatte nämlich einen Vorstehhund — für 200 Taler hätte ich ihn schon vielmal verkauft —&comma; der stand fest wie eine Mauer&comma; und diese Tugend war auch endlich die Ursache seines Todes&period; Hört nur&comma; ich gehe eines morgens in den Wald&comma; nehme den Hund mit&comma; bekümmere mich aber draußen nicht weiter um ihn&semi; Als ich nach Haus komme&comma; ist der Hund nicht mehr bei mir&semi; er wird schon nachkommen&comma; denk ich&comma; und gehe ins Forsthaus&period; Die Nacht vergeht&comma; und ich rufe am Morgen meinen Hund&comma; aber da ist er nirgends zu finden&comma; auch nicht im Walde&period; Ich streife den ganzen Tag durch die Felder&comma; durchsuche jeden Busch&comma; pfeife und klopfe&comma; aber immer keine Spur von dem Hunde&period; Der ist gewiß in ein anderes Revier geraten und erschossen worden&comma; denk ich&comma; und konnte das prächtige Tier lange nicht vergessen&period; Nun aber hört&comma; Herr Gevatter&comma; was geschieht&colon; das Jahr darauf gehe ich wieder im Walde durch das junge Holz&period; Da sehe ich auf einem kleinen Rasenflecken etwas Weißes und gehe darauf zu&comma; aber — denkt euch meine Verwunderung — wie ich herankomme&comma; sehe ich auf einem Flecke zwölf Vogelgerippe und davor das Gerippe meines Hundes&comma; denn ich erkannte ihn an den doppelten Wolfsklauen&period; Der Hund hatte also hier eine Kette Rebhühner gestellt&comma; und da diese aus Furcht vor dem Hunde nicht aufzufliegen gewagt hatten&comma; so war das pflichttreue Tier vor und mit ihnen verendet&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Pfarrer schüttelte lachend den Kopf&period; „Ihr findet das wohl sehr wunderbar&comma; Herr Gevatter&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fuhr der Förster fort&comma; „und doch das Beste kommt noch&period; Aus Anhänglichkeit an den treuen Hund lasse ich mir aus einem Beinknochen desselben ein Pfeifenrohr machen&comma; und habe diese Pfeife immer im Walde mit&period; Da ich einstmals an einem kleinen Gebüsch hingehe und mein Pfeifchen rauche&comma; rückt es mich plötzlich am Munde&comma; so daß alle Zähne knacken&period; Ich nehme die Pfeife erschrocken aus dem Munde&comma; aber da drückt es mich ebenso stark am Arm und der Hand&comma; womit ich sie halte&period; Das war mir doch verdächtig&comma; ich schaue die Wiese hinunter&comma; und richtig&comma; hinter dem Gebüsch liegt eine ganze Kette Rebhühner&period; Nun erst geht mir ein Licht auf&semi; seht&comma; so weit ging die seltene Natur des Hundes&comma; daß der Knochen seines Beines noch so gut vor den Rebhühnern stand&comma; wie sonst der lebendige Hund&period; Ja&comma; so was kann nur unsereiner erleben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; das ist doch zu stark&comma; Gevatter&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Pfarrer&comma; „Wenn Ihr noch mehr lügt&comma; so fürchte ich&comma; passiert etwas&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Förster geriet über diese Worte ganz in Eifer und beteuerte immer stärker&comma; daß er nur die Wahrheit geredet habe&semi; er könne über hundert Zeugen aufrufen&semi; sie wären nur schwer zusammenzubringen&comma; sagte er&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die beiden Gevattersleute eben an der Brotbaude hinschritten&comma; blieb der Pfarrer zufällig einige Schritte zurück&period; „Gevatter&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er aus&comma; „was schleppt ihr denn da hinter euch&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; —<&sol;p>&NewLine;<p>Der Förster wendete sich um und sah ein langes&comma; haariges Ding sich auf der Erde hinschlängeln&period; „Es ist ein Zopf&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Pfarrer&comma; „und euch eingewachsen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; ein Zopf&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sprach plötzlich eine Stimme neben ihnen&comma; „und den wirst du tragen&comma; mein Förster&comma; bis du dir das Lügen abgewöhnt hast&period;&OpenCurlyDoubleQuote; — Es war Rübezahl&comma; der das sagte&comma; und dann im Walde verschwand&period; Die beiden Männer standen wie versteinert&comma; bis sich der Pfarrer endlich leise auf den Rückweg machte&period; Vergeblich suchte der Förster seinen Zopf los zu werden&semi; wenn er ihn abschnitt&comma; wuchs er im Augenblick noch einmal so stark und lang&comma; wie zuvor&period; Es gab also kein anderes Mittel&comma; um ihn los zu werden&comma; als sich das Lügen abzugewöhnen&semi; das kam ihm freilich sauer genug an&comma; aber was half’s&period; Er log auch endlich nimmer wieder&comma; denn was der Mensch ernstlich will&comma; das kann er auch&period; Seit jener Zeit aber besteht die Redensart im Gebirge und ist auch durch das Land bekannt — jemandem einen Zopf machen&excl;<&sol;p>