Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Rübezahl straft einen Unwissenden

<p>Als Rübezahl eines Tages im warmen Sonnenschein lag und die Gestalt eines Holzhauers angenommen hatte&comma; um sich irgend einen Spaß mit den Reisenden zu machen&comma; — denn die Langeweile plagte den Berggeist oft so sehr&comma; wie unsere vergnügungssüchtigen Menschen — kam ein Arzt von Schmiedeberg heraufgeschritten&comma; um auf dem Kamme zu botanisieren&period; Rübezahl war geschwind bei der Hand und erbot sich&comma; dem ermüdeten Bergsteiger das Pflanzenbündel zu tragen&comma; das er sich schon gesammelt hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dabei hatte er Gelegenheit&comma; in dem Arzt einen prahlerischen Wunderdoktor zu erkennen&comma; der seinem Begleiter viel von seinen fabelhaften Kuren und seiner unvergleichlichen Geschicklichkeit erzählte&period; Am meisten aber ergötzte es den Gnomen&comma; sich von dem Arzte die Heilkräfte der Pflanzen erklären zu lassen&comma; und da kam es denn&comma; daß der scheinbare Holzhauer dem gelehrten Herrn manchen Irrtum nachwies&comma; oder ihm noch ganz unbekannte Dinge mitteilte&period; Das verdroß den dünkelhaften Arzt&comma; so daß er zu seinem Begleiter ziemlich verächtlich sagte&colon; „Schuster&comma; bleib bei deinem Leisten&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Rübezahl belustigte sich an dem Mißmute des Arztes und fuhr ganz ruhig fort&comma; ihm allerlei Aufschlüsse über die Naturkräfte zu geben&comma; so daß jener mit seinen prahlerischen Erzählungen ganz verstummte&period; „Wenn du so kundig aller Pflanzen und Kräuter bist&comma; vom kleinsten Moose an bis zur Ceder&comma; die auf dem Libanon wächst&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte er verdrießlich&comma; „so sage mir doch&comma; du überaus weiser Holzhauer&comma; was wohl früher war&comma; die Eichel&comma; oder der Eichelbaum&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Geist antwortete lächelnd&colon; „Ei doch wohl der Eichbaum&comma; denn die Eichel wächst ja erst auf dem Baume&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Siehst du&comma; welch ein Narr du bist&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; spottete der Arzt&comma; „wo kam denn der erste Baum her&comma; wenn nicht aus deren Samen er aufwuchs&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da erwiderte der Holzhauer&colon; „Ihr habt mir da auch eine zu schwere Frage gestellt&semi; solche Gelehrsamkeit ist mir zu hoch&period; Was ich weiß&comma; habe ich nur von meiner Mutter gelernt&period; Vielleicht könnt ihr mir aber einen guten Rat geben&semi; ich habe das Fieber&comma; und schon allerlei dagegen gebraucht&semi; seht nur&comma; wie mich der Frost packt&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Dabei schüttelte sich der Gnom&comma; daß seine Glieder knackten&comma; und hielt den Atem an&semi; darüber ward er ganz blau im Gesicht&comma; und der Arzt sagte&colon; „Ei&comma; ei&comma; mein Freund&comma; da hast du einen schlimmen Anfall&semi; es ist nur ein Glück&comma; daß du an den rechten Mann gekommen bist&comma; ich will dir sogleich helfen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Er öffnete seine Blechkapsel&comma; die voll Salbenkrausen und Medizinfläschchen steckte&comma; goß allerlei Säfte zusammen&comma; schüttelte es wohl untereinander&comma; und dem Berggeiste lief es dabei wirklich kalt über den Rücken&comma; wenn er dachte&comma; daß er dieses saubere Gebräu hinunterschlucken sollte&period; Dann nahm der Wunderdoktor eine große Schachtel voll Pillen&comma; die er ohne Ausnahme als Universalmittel bei den verschiedensten Krankheiten anwendete&comma; gegen Gicht und Kopfschmerzen&comma; Halsweh und alle Fiebergattungen&comma; und hieß den Holzhauer&comma; stündlich zwölf Stück&comma; sowie einen Eßlöffel von der Medizin zu nehmen&comma; davon werde er am dritten Tage schon ganz gesund sein&comma; und dafür solle er ihm nur einen Gulden geben&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gewiß&comma; ihr seid ein grundgescheiter Herr&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der Holzhauer&comma; „und will ich auch tun&comma; was ihr mir anratet&comma; nur müßt ihr mir zuvor den Gefallen tun&comma; und mir auch eine Frage beantworten&colon; „Wem gehört der Grund und Boden&comma; auf welchem wir jetzt stehen&quest; Dem Könige von Böhmen oder dem Herrn vom Berge&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;&OpenCurlyDoubleQuote; &lpar;So ward Rübezahl jetzt überall genannt&comma; weil die Benennung Rübezahl ihm mißfällig war&comma; und seinen Zorn reizte&period;&rpar;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Arzt bedachte sich nicht langes „Nun&comma; wem anders&comma; als dem Könige von Böhmen&comma; denn Rübezahl ist das Hirngespinnst&comma; um die Kinder zu erschrecken&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Ader kaum waren diese Worte aus seinem Munde&comma; so verwandelte sich der Holzhauer in eine riesenhafte&comma; fürchterliche Gestalt und sah mit flammensprühenden Augen den Arzt an&period; „Ich will dir zeigen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; zürnte er&comma; „daß der Herr vom Berge kein Hirngespinnst ist&comma; mit dem man die Kinder fürchten macht&comma; und du sollst es sogleich an deinem eigenen Leibe wahrnehmen&period; Du unwissender Prahlhans sollst an mich denken&comma; und damit du nie wieder an mir zweifelst&comma; verschlucke sogleich deine edlen Wunderpillen und das höllische Gebräu&comma; womit du mir das Fieber ankurieren wolltest&comma; an dem ich gar nicht leide&period; Nicht von der Stelle sollst du mir&comma; so lange noch ein Pröbchen deiner gepriesenen Arzneiwissenschaft übrig ist&period; Die Kranken in den Dörfern unten werden es mir Dank wissen&period; Nun schlucke&comma; mein Sohn&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Arzt bat und flehte vergebens&period; Endlich nahm er mit einer Geberde der Verzweiflung das Arzneiglas und tat einen herzhaften Schluck&period; Die bitteren Tränen traten ihm dabei in die Augen und Schweißtropfen auf die Stirn&semi; aber Rübezahl stand mit aufgehobenen Arm hinter ihm und drohte&comma; ihn zu Boden zu werfen&comma; wenn er zögere&period; Als nach einem furchtbaren Kampfe die Medizin gut oder übel hinunter war&comma; kamen die Universalpillen daran&comma; wobei sich der Arzt noch viel jämmerlicher geberdete&comma; als das erste Mal&period; „Es ist mein Tod&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; jammerte er&comma; „ich sterbe an dem schauderhaften Zeuge&OpenCurlyDoubleQuote;&semi; aber Rübezahl erinnerte ihn höhnend&comma; wie vorzüglich heilsam diese Dinge wären&comma; welche Wunderkuren er damit schon bewirkt habe&comma; und hieß ihn doch mehr Vertrauen zu seiner Kunst haben&period; Dreißig Pillen hatte der arme Mann schon bezwungen&comma; dann warf er sich verzweifelt auf die Erde und sagte&colon; „Töte mich lieber sogleich&comma; du grausamer Geist&semi; es kann keinen bitteren Tod geben&comma; als durch diese Giftpillen sterben zu müssen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das merke dir&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Rübezahl und stieß mit seinem Fuße an den Arzt&comma; der mit Schweiß bedeckt an der Erde lag&semi; er rollte von dieser Bewegung den Berg hinab&comma; schlug sich an Steinen&comma; verletzte sich an Baumwurzeln&comma; kam aber doch endlich glücklich auf ebener Erde an&comma; aber zerklopft und zerstoßen&comma; daß er viele Wochen lang das Bett nicht verlassen konnte&period; Dabei war er so mißtrauisch geworden&comma; daß er immer fürchtete&comma; Rübezahl stecke dahinter&comma; wenn er zu einem Kranken gerufen ward&comma; und sich wohl hütete&comma; seine gewöhnlichen Mittel zu verordnen&period; „Wer weiß&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagen die Leute&comma; „ob jener Arzt nicht der erste Erfinder der später so bekannt gewordenen homöopathischen Heilmethode gewesen ist&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>