Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Rübezahl - Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
(Rosalie Koch)

Rübezahl und der Schneider

<p>Einmal kam der Berggeist nach Landeshut und trug ein Päcklein Tuch unter dem Arme&period; Nach einem Schneider fragt er ein kleines Mägdlein&comma; das am Brunnen Wasser holt&comma; und dieses weist ihn in ein nahes Haus&comma; wo es gar stattlich aussieht&period; Als er nun in die Stube tritt und den Meister höflich anspricht&comma; ihm einen Rock zu machen&comma; auch den großen Ballen Tuch vor ihm ausbreitet&comma; denkt der pfiffige Schneider&comma; der ist auch nicht aus Landeshut&comma; solch’ vornehme Leute kommen mir nicht alle Tage unter die Schere&period; Er legt also das Tuch doppelt und macht dann ein bedenkliches Gesicht&comma; als werde er damit wohl schwerlich&comma; auskommen zu einem ganzen Rocke&period; Rübezahl schwatzt indes mit den Gesellen und tut&comma; als sehe er nicht&comma; was vorgeht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Darauf versprach der Meister&comma; der Rock solle in acht Tagen fertig sein&comma; und Rübezahl ging weiter&period; Als die Zeit um ist&comma; schickt er einen Diener&comma; läßt die Sachen abholen und sagen&comma; er werde nächstens selbst kommen und mehr Arbeit bestellen&comma; auch alsdann das Macherlohn bezahlen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ei&comma; recht gern&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte der höfliche Schneider und denkt&comma; an diesem Kunden läßt sich ein guter Schnitt machen&period; Als aber acht Tage verstreichen und sich der Fremde nicht sehen läßt&comma; wird’s dem Meister doch bedenklich und er beschließt&comma; das Tuch zu verkaufen&comma; um das er jenen gebracht hat&comma; so daß er doch nicht um sein Arbeitslohn komme&period; „Ein Mal einem vornehmen Herrn getraut und nie wieder&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; denkt er&comma; schlägt&comma; sich endlich die Geschichte aus dem Sinne und holt das Tuch herbei&period; Aber da war es eine Decke&comma; aus Schilf geflochten&period; — Das kam ihm doch auch gar zu wunderbar und bedenklich vor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun geschah es lange Zeit darauf&comma; daß er mit seinen Gesellen die Koppe bestieg&comma; und da begegnete ihnen Rübezahl&comma; ganz lustig auf einem Bocke reitend&period; „Du willst wohl das Arbeitslohn für das Kleid holen&comma; so du mir gemacht hast&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; ruft er dem erschrockenen Meister zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da geht diesem ein Licht auf&semi; aber ein rechter Schneider ist pfiffig und weiß sich immer zu helfen&period; „Gnädiger Herr&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; spricht er&comma; „deshalb stieg ich nicht auf das Gebirge&comma; denn ihr habt Kredit&comma; so lange es euch beliebt&semi; ich mache nur eine Reise nach Böhmen und hoffe&comma; ihr werdet nichts dawider haben&period; Ich will euch auch mein Lebtag gern redlich dienen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun&comma; da du so nachsichtig bist&comma; will ich mich auch dankbar bezeigen&comma;&OpenCurlyDoubleQuote; spricht Rübezahl&comma; „ich will dir mein Reitpferd schenken&comma; aber wehe dir&comma; so du dich dessen&comma; nicht überall bedienst&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun hatte der Schneider keine Courage&comma; obgleich das recht unglaublich klingen mag&comma; und wollte sich durchaus nicht auf den Ziegenbock setzen&comma; der kerzengrade auf seinen Hinterfüßen stand&period; Aber Rübezahl hob die Hand&comma; um dem zaghaften Meister in den Sattel zu helfen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Schneider aber war so leicht&comma; daß Rübezahls Arm mit ihm eines Kirchturms Länge in die Luft hinauffuhr&comma; denn der Berggeist hatte gedacht&comma; er werde doch mindestens über hundert Pfund zu heben haben&comma; und wog der Schneider nicht viel über fünfzig&period; Dabei flog der Handschuh Rübezahls ihm von den Fingern und liegt noch heutzutage nicht weit von Rübezahls Kanzel&comma; wovon sich jeder überzeugen kann&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Schneider aber saß kaum auf dem Reitpferde&comma; als dies mit ihm dahintrabte&semi; die Gesellen hielten sich pfiffig an den Schwanz desselben und kamen nun auch so geschwind&comma; wie der Meister&comma; von der Stelle&period; Aber wo sie hinkamen&comma; traf sie das Gespött der Leute&comma; und doch wagte der ehrsame Meister keinen Schritt zu Fuße zu gehen&comma; sondern bediente sich immer aus Furcht vor dem Berggeiste des verhaßten Bockes&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Weil er nun aber in jedem neuen Kunden immer wieder den Rübezahl vermutete&comma; so hütete er sich wohl&comma; das frühere Kunststück zu wiederholen und ward von da ab der ehrlichste Schneider der Welt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es hüte sich jeder nicht vor dem Berggeist — sondern vor der Sünde im allgemeinen&comma; denn sie ist es&comma; die den Menschen in der Gestalt des bösen Gewissens oft mehr quält&comma; als alle Gnomen und Erdgeister&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Lieber bleibe arm auf Erden&comma;<br&sol;>Als durch Untreu reich zu werden&period;<&sol;p>