Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Siegfried, der Held
(Rudolf Herzog, 1911, empfohlenes Alter: 9 - 12 Jahre)

4. Kapitel
Wie Siegfried mit Gunther gen Island fuhr, an des Königs Stelle Brunhild im Kampfspiel besiegte und vom Rheine Schätze holte

<p>Goldenen Glanzes lag die Sonne über Worms am Rhein und seiner Königsburg&period; Wie selige Stimmen sangen die Glocken vom hohen Münster und luden die Heimgekehrten zum Dank gegen Gott&period; Aus dem Portale traten sie heraus&comma; gesegnet und erhoben&period; Und in prunkvollem Zuge schritten sie zur Kurzweil des Tages&comma; die König Gunther den Siegern bot mit Turnier&comma; Spielmannssang und Becherklang&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da öffneten sich die Gemächer der königlichen Frauen&comma; und von ihrer Mutter&comma; Frau Ute&comma; geleitet&comma; von holden Jungfrauen umringt&comma; betrat Kriemhild den Festplatz&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Weiße Seide floß an ihrem jungen Leib herab&comma; die war mit buntschimmernden Borten reich geziert&period; Den Kopf mit dem schweren Blondhaar hielt sie züchtig geneigt&comma; und ein feines Krönlein leuchtete aus den Flechten&period; In der Hand hielt sie einen kunstvoll gebogenen Eichenzweig&period; So schritt sie über den von brausenden Heilrufen erfüllten Festplatz und trat vor die Männer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Staunend sah Siegfried auf das wunderliebliche Mägdlein&comma; und sein Herz schlug laut&comma; als er ihre süße Stimme vernahm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Herr Siegfried&comma;« hörte er sie sagen&comma; »vieledler und tapferer Held&comma; ich bringe Euch den Dank des Burgundenlandes dar für Eure siegreiche Hilfe und Euer Heldentum&period; Ich bitte Euch&comma; nehmt diesen Kranz&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Tief ins Knie sank Siegfried vor der wonniglichen Jungfrau&comma; und mit zitternden Händen drückte sie ihm den Kranz ins Haar&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da schaute er auf&comma; und ihre Augen begegneten sich&comma; wurden groß und weit&comma; tranken sich satt und wollten sich nicht mehr lassen&period; Und Kriemhild beugte sich über ihn&comma; der immer noch vor ihr kniete&comma; und Auge in Auge versenkt küßte sie ihn auf den Mund&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Jauchzend stiegen Fanfaren gen Himmel&comma; rasselten Schwerter gegen Schilde&comma; schwang sich das Jubelgeschrei des Volkes durch die Lüfte&period; Kriemhild aber stand noch immer über Siegfried gebeugt&comma; die Hände auf seinen Schultern&comma; Auge in Auge staunend versenkt und weltvergessen&comma; bis Frau Ute lächelnd zu ihrer Tochter trat und ihre Hand faßte&period; Da erwachte Kriemhild wie aus tiefem Traume&comma; errötete heiß und ließ sich von der Mutter zu ihren Plätzen geleiten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber sprang auf&comma; lachte glückselig über die Bahn hin&comma; rief seinem Roß und warf im Turnier&comma; was sich ihm entgegenstellte&comma; wohl an die dreißig der stärksten Ritter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Männer am Abend in der Halle saßen und gewichtige Becher hoben&comma; heischte König Gunther ein Lied&comma; und Herr Volker von Alzey hob lustig den Fiedelbogen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es brandet die See um ein bergiges Eiland&comma;« so sang er&comma; »als müßte sie hüten den herrlichsten Hort&period; Wißt ihr&comma; warum&comma; ihr Ritter und Recken&quest; Laßt es euch sagen vom Sänger heut&period; Ein Weib weilt dort von schimmernder Schöne&comma; ein Weib&comma; wie das Auge kein zweites ersah&period; Wuchtig ihr Wuchs und das Haupt erhaben&comma; den lieblichen Leib von Eisen umhüllt&period; Brunhild heißt sie&comma; die bräunliche Wilde&comma; ihr nachtschwarzes Haar strömt den Nacken hinab&period; Stählern ihr Arm&comma; der den Wurfspeer schleudert&comma; Kräfte der Riesin wohnen im Weib&period; Mancher wohl kam&comma; von Minne getrieben&comma; keiner kehrt' wieder zum heimischen Herd&period; Blutend blieb er im Kampfspiele Brunhilds&comma; nichts gewann er als trüben Tod&period; Ein Weib weiß ich wohl&comma; Brunhild geheißen&comma; die herrlichste Heldin&comma; die minnigste Maid&period; Hei&comma; König Gunther&comma; das wär' die Genossin&comma; würdig&comma; zu wohnen zu Worms am Rhein&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Noch einmal schwirrte der Fiedelbogen auf&period; König Gunther saß in Sinnen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollt Ihr dem Spielmann nicht danken&quest;« rief Herr Hagen von Tronje&period; »Es war ein ritterlich Lied&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da hob König Gunther den Kopf und blickte sich um im Kreis&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Noch immer bin ich unbeweibt&comma;« sagte er langsam&period; »Das Land braucht eine Königin&comma; die Krone einen Erben&period; Brunhild&excl; Es könnte mich gelüsten&comma; dich zu gewinnen&period;« Und er wandte sich an den Fiedler&period; »Wie heißt das Eiland&comma; und wo ist es gelegen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Island heißt es&comma; Herr&comma; und ist trotzig gelegen im schwarzen Nordmeer&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Herr Siegfried&comma;« sagte König Gunther&comma; und Siegfried fuhr auf&comma; denn er hatte nichts getan&comma; als an die liebliche Kriemhild gedacht&period; »Herr Siegfried&comma; Ihr habt alle Meere befahren&period; Könntet Ihr wohl den Weg mir weisen zu Brunhild auf Island&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Herr&comma;« erwiderte Siegfried erschrocken&comma; »wie kommt Ihr auf solche Gedanken&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie soll mein Weib und meine Königin werden&comma;« sprach Gunther&comma; »sie und keine andere&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Herr König&comma;« bat Siegfried&comma; »laßt ab&period; Sie ist von wildem Denken und Tun&comma; und es möchte Euch leicht das Leben kosten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was&quest;« lachte Gunther&period; »Ich werde doch wohl noch die Kräfte eines Weibes bändigen können&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Herr&comma;« sagte Siegfried&comma; »ich habe vor Jahren Brunhild gekannt&period; Und ob ich auch weiß&comma; daß Ihr ein starker Ritter seid&comma; sie ist nicht zu bändigen&comma; und Ihr zwingt sie nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das ergrimmte den König&comma; und sein Wunsch&comma; Brunhild zu gewinnen&comma; wurde nur noch stärker&period; Er führte Siegfried beiseite und beschwor ihn&comma; ihm beizustehen auf der Fahrt&period; »Wählet das Köstlichste meiner Kleinodien&comma;« sprach er&comma; »wählt&comma; was Ihr wollt&period; Nur verhelft mir zu Brunhild&comma; und ich will es Euch nie vergessen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da sagte Siegfried&colon; »So gebt mir Kriemhild&comma; Eure Schwester&comma; zum Weibe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das schwur ihm Gunther in die Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und sie kehrten zu den Rittern zurück und berieten die Fahrt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Um eine Woche später stieß von Worms ein Schiff in den Rhein&comma; das trug Gunther und Siegfried&comma; Hagen und Dankwart&comma; mitsamt ihren Rossen&comma; Panzern und glänzenden Gewandungen&period; Frau Ute stand mit Kriemhild auf dem Söller der Burg&comma; und das Mägdlein weinte heiße Tränen&comma; während ihr Tüchlein den Scheidenden ein Lebewohl zuwinkte&period; Aus heißer Sehnsucht nach dem Helden vom Niederrhein weinte die Königstochter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Recken aber fuhren wohlgemut den Rhein hinab&comma; bis sie zum Meere kamen&period; Hier kauften sie ein kräftiges Drachenschiff&comma; das vor Wind und Wellen nicht bangte&comma; und Siegfried nahm das Steuer&comma; und sie fuhren über die See gen Island&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auf ihrer Felsenburg saß Brunhild&comma; die gewaltige&comma; und schaute hinaus über die wilden Wasser&period; An Siegfried dachte sie&comma; den stärksten Helden&comma; und es war ihr leid&comma; daß er nicht wiedergekehrt war&period; Hundert Männer waren gekommen&comma; um sie zu werben&comma; und sie hatte sie alle besiegt im Kampfspiel&comma; das sie forderte&period; Nur einen gab es auf der Welt&comma; der stärker war als sie&colon; Siegfried&period; Und sie seufzte tief auf&comma; und ihr Herz entbrannte von Liebe nach ihm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O kämst du doch heim als ein König&comma; du einziger Held&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da gewahrte sie ein Schiff in der Ferne&comma; und das Schiff kam mit vollen Segeln herangebraust und brach die anstürmende Brandung so stark und sicher&comma; daß Brunhild aufsprang und gebannt nach dem Steuermann sah&period; »Nur Siegfrieds Faust ist so fest&comma;« murmelte sie&comma; »nur Siegfrieds Seele so mutig&period; Er ist's&excl;« rief sie jubelnd&period; »Er ist's&excl; Siegfried kehrt wieder&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und sie schritt hastig in ihre Kemenate und rief ihren Kammerfrauen und ließ sich schmücken&comma; daß ein strahlender Glanz von ihr ausging&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber sprach im Schiff zu König Gunther und seinen Gesellen&colon; »Hört mich wohl an&period; Diese Frau ist von so unbändigem Stolze&comma; daß sie nur Könige und Lehnsmannen kennt&period; Würde ich gleichberechtigt mit Gunther vor ihr erscheinen&comma; ich fürchte&comma; sie wird an des Königs Macht und Ansehn zweifeln&period; Deshalb will ich mich meiner Stellung&comma; die mir meine königliche Geburt zuweist&comma; begeben und als ein Lehnsmann König Gunthers auftreten&period; Das wird seinen Glanz vor ihr erhöhen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Darüber waren die Herren froh und lobten Siegfried sehr wegen seiner Treue&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und Siegfried sprach weiter&colon; »Als ich den Drachen erschlug und Alberich bändigte&comma; gelangte ich in den Besitz einer Tarnkappe&comma; die mich unsichtbar macht&comma; wenn ich sie trage&period; So werde ich denn&comma; keinem Auge sichtbar&comma; neben Gunther stehen und seinem Arme helfen&comma; Brunhild in den Kampfspielen zu besiegen&period; Es könnte sonst leicht König Gunthers und unser aller Leben kosten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da wurde König Gunthers Herz leicht&comma; und er dankte Siegfried mit beredten Worten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Schon schritt die schöne Brunhild mit ihrem Gesinde aus dem Burgtor hervor und nahm den Weg zum Hafen&comma; als das Schiff den Anker warf&period; »Bei Gott&comma;« sagte Gunther und atmete tief&comma; »die Kunde hat nicht übertrieben&period; Nie sah ich ein herrlicher Weib&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Starke Bretter schob Siegfried vom Schiffsrand ans Land&period; Und er nahm zuerst König Gunthers Roß&comma; führte es hinüber und hielt wie ein Lehnsmann den Steigbügel&comma; als König Gunther sich in den Sattel schwang&period; Dann erst holte er sein Roß Grane und stieg mit Hagen und Dankwart zu Pferde&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Erstaunt sah Brunhild sein Beginnen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Vieledler Held Siegfried&comma;« rief sie lachend&comma; »was treibt Ihr für Possen&quest; Es ziemt sich nicht&comma; einem andern Dienste zu verrichten&period; Doch seid mir von Herzen willkommen und laßt Euch sagen&comma; daß ich Euch gerne sehe und lange Eurer harrte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber entgegnete&colon; »Ihr irrt Euch&comma; hohe Frau&period; Nicht an mich dürft Ihr Eure Begrüßung richten&comma; denn ich reite nur im Gefolge des mächtigsten Königs&comma; Herrn Gunther von Worms&comma; den Ihr vor Euch seht&comma; und freue mich&comma; sein Lehnsmann zu heißen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da erbleichte die stolze Brunhild und wandte ihr Auge zu Gunther&period; Und Gunther ritt auf sie zu&comma; sprang vom Pferde und neigte sich ritterlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Was sucht Ihr bei mir und in meinem Lande&quest;« fragte sie hochmütig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Euch suche ich&comma; herrliche Brunhild&comma; und Eure Minne&comma;« rief der König&period; »Ich weiche nicht anders aus diesem Land als mit Euch&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Spöttisch maß ihn die heldische Frau vom Scheitel bis zur Sohle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ihr habt Euch viel Last gemacht&comma; edler Herr&period; Konntet Ihr nicht zu Hause sterben&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich gedenke&comma;« sprach Gunther&comma; »nicht eher zu sterben&comma; als bis ich weidlich Eure Minne gekostet habe&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Hellauf lachte Brunhild&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wenn Euch die Aussicht auf Schläge reizt&comma; so stellt Euch morgen bei Sonnenaufgang zum Turnier&period; Und Ihr sollt den Mittag nicht mehr erleben&period; Kämmerer&comma; weist den Herren für die letzte Nacht Herberge an&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und immer noch hohnvoll lachend&comma; wandte sie sich und schritt zur Burg zurück&period; Siegfried aber&comma; den bescheiden abseits Stehenden&comma; beachtete sie mit keinem Blick&period; So schwer hatte es ihren Stolz getroffen&comma; daß der einzige Mann&comma; den sie geliebt hatte&comma; ein Dienstmann geworden war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Herren aus Worms aber legten sich bald zur Ruhe nieder&period; Denn sie wußten&comma; daß der kommende Tag ihrer Kräfte reichstes Maß beanspruchte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Kaum graute der Morgen&comma; als helle Fanfarenstöße sie aus dem Schlummer weckten&period; Eiligst sprangen sie auf und halfen Gunther&comma; sich rüsten&period; Und jeder wappnete sich selber aufs beste&period; So ritten sie auf ihren Rossen zum Turnierplatz&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Umgeben von ihren Rittern und Frauen nahte Brunhild&period; Ein goldener Panzer schirmte ihr Brust und Leib&comma; ein strahlender Helm mit Adlerflügeln das schwarz umlockte Haupt&period; Nackt waren die mächtigen weißen Arme&comma; die Schild und Speer hielten&comma; und das Bild der Heldin war so übergewaltig&comma; daß Gunther den Atem stocken fühlte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Drei Aufgaben nenne ich Euch&comma;« sprach die Starke&period; »Löst Ihr sie&comma; so gebe ich mich als Euer Weib&period; Laßt Ihr Euch nur in einer besiegen&comma; so ist mir Euer Kopf und der Eurer Gesellen verfallen&period; Entscheidet Euch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nennt die Aufgaben&comma;« antwortete Gunther kurz&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und Brunhild sprach weiter&colon; »Zuerst zeigt Eure Kraft im Speerwurf und sorgt&comma; daß Ihr mich niederwerft&period; Zum zweiten gilt es&comma; den hundertpfündigen Felsstein zu schleudern&period; Sorgt&comma; daß Ihr nicht eine Spanne hinter mir zurückbleibt&period; Und zum dritten sollt Ihr mich&comma; gepanzert und gewaffnet&comma; im Weitsprung überholen&period; Nun&quest; Traut Ihr Euch immer noch&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da sprach Siegfried&colon; »Herr König&comma; gebt mir Urlaub&comma; damit ich zum Schiffe gehe und das Brautgeschenk hole&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das gewährte Gunther&comma; und Brunhild biß sich die Lippen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber ging nur bis vor die Burg&comma; wo ihn keiner sah&comma; zog die Tarnkappe über und kehrte unsichtbar zu seinen Gefährten zurück&period; »Mut&comma;« flüsterte er und berührte Gunthers Arm&comma; »ich bin bei Euch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Rosse wurden aus der Bahn geführt&period; Brunhild begab sich auf ihren Stand&period; Sie wog den furchtbaren Speer in ihrer Hand&comma; als wäre es eine Gerte&comma; stemmte den Schild vor&comma; bog sich zurück&comma; zielte und schleuderte die Waffe mit solcher Wucht&comma; daß die Luft aufheulte&comma; die Speerspitze Gunthers Schild zersplitterte und der König niedergebrochen wäre&comma; hätte ihn Siegfrieds Faust nicht gehalten&period; Mit eisernem Ruck zog Siegfried den Speer aus dem Schild&comma; so&comma; daß es aussah&comma; als täte es Gunther&period; Und ritterlich&comma; als ob es gälte&comma; die schöne Frau nicht allzusehr zu treffen&comma; kehrte er den Spieß um und schleuderte ihn&comma; mit dem stumpfen Schaftende nach vorn&comma; zurück&comma; so furchtbar aber&comma; daß er dröhnend Brunhilds Schild zerbeulte&comma; die Starke den Boden unter den Füßen verlor und rücklings in den Staub fiel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zornig sprang sie auf und ordnete Rüstzeug und Gewand&period; Blutrot lief die Scham über ihr Gesicht&comma; und der Haß sprang gleich Blitzen aus ihren nachtdunklen Augen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Frohlockt nicht zu früh&comma;« rief sie ergrimmt&comma; »ich habe nur gescherzt&excl;« Und sie ergriff den hundertpfündigen Felsblock&comma; ließ ihn wie einen Ball auf der flachen Hand tanzen&comma; packte an und warf ihn in wildem Schwunge wohl fünfzig Ellen weit&period; Und mit gewaltigem Anlauf hob sie sich im Panzer in die Lüfte und schwang sich hinter dem Stein her und sprang weiter noch&comma; als der Stein gefallen war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da wurde es totenstill auf der Bahn&comma; und Hagen flüsterte seinem Bruder Dankwart zu&colon; »Mach dein Schwert locker und stell dich mir Rücken an Rücken&period; Es wird heiße Arbeit geben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Gunther schritt zum Steine&comma; und unsichtbar schritt Siegfried neben ihm&period; Und Siegfried hob den Stein&comma; als höbe ihn Gunther&comma; spannte alle Muskeln an und warf den Felsblock noch zehn Ellen über Brunhilds Marke&comma; packte Gunther um den Leib&comma; sprang an und trug Gunther durch die Luft&comma; als sause ein Falke daher&period; Weit über den Stein hinaus ging er mit Gunther zur Erde nieder&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mit vorgebeugtem Leib und verzerrtem Gesicht hatte Brunhild Wurf und Sprung verfolgt&period; Jetzt sanken ihr die mächtigen Arme an den Leib&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nie&comma;« sagte sie&comma; und ihr Atem ging erregt&comma; »hätte ich geglaubt&comma; daß außer Siegfried ein sterblicher Mann solches vermöchte&period; Nun weiß ich&comma; daß Ihr recht tatet&comma; König Gunther&comma; Siegfried zu Eurem Dienstmann zu nehmen&period; Ich werde Euch als Euer Weib folgen&comma; wie ich es Euch versprach&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da schmetterten die Trompeten&comma; da stürmte der Jubel des Volkes durch die Luft&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber war wieder vor das Tor geeilt&comma; hatte die Tarnkappe abgezogen und kehrte nun auf die Bahn zurück&comma; als wüßte er noch nichts von den Geschehnissen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Vorwärts&comma;« rief er&comma; »König Gunther&excl; Auf zum Kampf&excl; Es wird Euch gelingen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da lachten sie alle&comma; daß er das herrliche Kampfspiel versäumt hatte&comma; und Brunhild schaute hochmütig auf ihn herab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wo habt Ihr den Brautschmuck&comma; Mann&quest;« fragte sie ihn herrisch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber bog huldigend das Knie und entgegnete&colon; »Gütige Herrin&comma; er ist so groß&comma; daß meine Arme ihn nicht zu fassen vermochten&period; Des Schiffes ganzer Inhalt ist Euer&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da ging sie achselzuckend an ihm vorbei und ging zum Schiffe und musterte&comma; was es an Gold und Steinen barg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mit so elendem Kram&comma;« rief sie höhnisch&comma; »glaubt Ihr vor Islands Königin bestehen zu können&quest; Wähnet Ihr&comma; mich beleidigen zu dürfen&comma; so rufe ich meine Ritter und Mannen&comma; daß sie Euch allesamt greifen und im Meer ersäufen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Erblaßten Gesichtes stand Gunther vor der Ergrimmten und fand keine Antwort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber lachte&colon; »Nicht so&comma; Frau Königin&period; Es ist dies nur eine Probe der Schätze&comma; die für Euch unterwegs sind&period; Das Schiff&comma; das sie birgt&comma; wurde vom Sturm verschlagen&period; Gebt mir Urlaub&comma; damit ich es auf dem Meere aufsuche und zu Euch in den Hafen geleite&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit düsteren Augen blickte Brunhild den Kühnen an&period; »Es könnte Euch furchtbar gereuen&comma;« sprach sie&comma; »so Ihr mich zu betrügen gedächtet&period; Diese hier bleiben als Geiseln in meiner Hand&period; Sputet Euch&comma; daß Ihr bald wiederkehrt und Eure Worte wahr macht&period; Euer Herr und seine Gefährten dürften sonst den Rhein nicht wiedersehen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da nahm Siegfried Abschied von Gunther&comma; Hagen und Dankwart&comma; beurlaubte sich von der Königin und ging mit seinem Roß Grane an Bord des Schiffes&period; Günstig wehte der Wind&comma; die Segel knallten und knatterten&comma; des Helden Hand lag am Steuer&comma; und wie ein Vogel schwand das Schiff am fernen Horizont&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In halber Zeit erreichte Siegfried die Mündung des Rheines&comma; gebot den Schiffsleuten&comma; bis zu seiner Wiederkehr zu warten und schwang sich auf Granes Rücken&period; Und das treue Roß trug ihn im Fluge durch die rheinischen Lande&comma; bis das Siebengebirge vor ihnen blaute und der Held den ihm wohlbekannten Weg zur Drachenburg ritt&comma; die den reichen Nibelungenhort barg&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nacht war's&comma; als Siegfried vom Pferde stieg&period; Und er gedachte seines Verwalters Alberich Wachsamkeit zu erproben und lärmte wie ein Trunkener am Tore und begehrte mit hämmernden Faustschlägen Einlaß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da öffnete sich mit einem Ruck die Pforte&comma; und der wilde Zwerg sprang mit einer langen Eisenstange heraus und prügelte so fürchterlich auf Siegfried ein&comma; daß dem Helden die Funken aus den Augen stoben&comma; und er Island nie wiedergesehen hätte&comma; wäre es ihm nicht gelungen&comma; unter den hageldichten Hieben den wilden Zwerg beim Barte zu erwischen und fest in seine Arme zu reißen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Guten Abend&comma; Freund Alberich&comma;« lachte er dabei&period; »Ich sehe&comma; Ihr seid immer noch gesund und munter&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da erkannte der Wütende seines Herrn Siegfried Stimme&comma; und er ließ nach mit Strampeln und Fußtritten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Verzeiht&comma;« bat er ganz außer Atem&comma; »daß ich Euch ein wenig unwirsch begegnete&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ein wenig&quest;« lachte Siegfried und befühlte seine Beulen&period; »Gott soll mich behüten&comma; wenn es einmal mehr als ein wenig geschieht&period;« Und er klopfte seinem getreuen Verwalter fröhlich die Schulter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann befahl er ihm&comma; eilends die Nibelungenritter zu wecken&comma; und er wählte aus ihnen eine starke&comma; glänzende Schar&comma; und aus den Schätzen erwählte er so viel&comma; als ein Rheinschiff fassen konnte&comma; und am anderen Tage fuhr er mit den Schätzen und den Rittern wieder den Rhein hinab zum Meere&comma; wo er sein Drachenschiff und seine Schiffsleute fand und eine schnelle Umladung erwirkte&period; Durch Sturm und Wogenprall ging die Meerfahrt gen Island&period;<&sol;p>&NewLine;<p>König Gunther saß mit Hagen und Dankwart am Strande&period; Tief in Sorgen saß er&comma; und keine Hoffnung war mehr in seiner Seele&period; Und sie sprachen unter sich von Siegfrieds Flucht und manch ein schlimmes Wort von dem Helden&comma; der jetzt wohl schon die bergende Heimat erreicht hätte&comma; während sie verzweifelnd den Tod erwarteten&comma; schimpflich dazu&comma; von eines Weibes Hand&semi; der wohl gar das ganze Burgundenland sich zu eigen mache und sich prahlerisch auf Gunthers Thron setze&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So sprachen sie mit vergifteten Gemütern und glaubten nicht an Siegfrieds Treue&comma; als Hagen aufsprang und erregt in die Ferne wies&period; Denn sein scharfes Einauge hatte am Horizont das Drachenschiff erspäht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Er naht&comma; er naht&excl;« rief er&period; »Siegfried kommt wieder&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da kehrte in König Gunthers Seele aller Hochmut zurück&comma; und er erhob sich und sagte kalt&colon; »Er hatte es geschworen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Eilig kam Brunhild aus den Toren der Burg&comma; und ihre Ritter und Frauen folgten ihr mit staunenden Gebärden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hohe Fürstin&comma;« redete Gunther sie an&comma; »rüstet Euch zur Reise nach Worms&period; Siegfried kommt&comma; und ich wünsche nicht einen Tag länger ohne Eure Minne zu weilen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit starren Augen sah Brunhild dem heranschießenden Schiffe entgegen&period; Nun warf es Anker&comma; nun schoben kräftige Hände die Laufplanken ans Land&period; Und Siegfried stand hochaufgerichtet an Bord und führte die glanzvolle Schar seiner Nibelungenritter vor Brunhild hin&comma; daß die Mannen Brunhilds erbleichten&comma; und wies lachend auf die aufgehäuften Schätze seines Schiffes&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe daheim neue geholt&comma; edle Königin&period; Es deuchte mir einfacher so&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Geblendet blickte Brunhild auf die Reichtümer&comma; bewundernd auf die auserlesene Ritterschar&period; Und willig ging sie an Gunthers Seite an Bord&comma; zur Fahrt nach Worms&comma; zur Hochzeit am Rhein&period;<&sol;p>

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