Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Siegfried, der Held
(Rudolf Herzog, 1911, empfohlenes Alter: 9 - 12 Jahre)

5. Kapitel
Wie Siegfried mit Kriemhild und Gunther mit Brunhild Hochzeit machte, und wie Siegfried an Gunthers Stelle Brunhild bändigte

<p>Hui&comma; jagten die Boten den Rhein hinan mit verhängten Zügeln&period; Blumen trugen die Rosse rechts und links im Kopfzaum&comma; und grüne Zweige die Reiter am Eisenhut&period; Stromauf jagten sie und nahmen sich keine Zeit zur Rast&comma; bis Worms vor ihnen aufstieg&comma; die schöne Stadt&period; Da lief das Volk zusammen&comma; sie zu befragen&comma; aber sie sprengten mit lustigen Worten hindurch und in den Hof der Königsburg hinein und ließen sich melden bei Frau Ute und der Königstochter Kriemhild&comma; bei Gernot und Geiselher&comma; den jungen Fürsten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Im Thronsaal empfingen Frau Ute und die Königskinder die Boten und hießen sie reden und berichten und kein Wort vergessen&period; Und sie vernahmen die Abenteuer der Helden in Island&comma; Gunthers Sieg über Brunhild&comma; Siegfrieds errettende Meerfahrt und die Heimkehr der Helden mit Brunhild&comma; der stolzen Fürstin&period; »So aber bittet und gebietet König Gunther&comma;« schloß der Bote&comma; der vor den anderen das Wort führte&colon; »Die Hochzeit möchtet Ihr richten in Eile und nicht sparen mit Gold und Gewändern und köstlicher Tafelzier&comma; und Einladungen möchtet Ihr ergehen lassen an alle Edlen des Burgundenlandes&comma; mit ihren schönen Frauen zu erscheinen auf heut über acht Tage zu Worms am Rhein&period; Denn dann gedenkt König Gunther einzuziehen und keine Stunde zu säumen&comma; die hehre Brunhild als seine Königin neben sich auf den Thron der Burgunden zu setzen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da weinte Frau Ute vor Freuden&comma; und Kriemhild stand mit wogender Brust und leuchtenden Augen&comma; weil Siegfried so treu gewesen war&period; Gernot und Geiselher aber eilten&comma; ihres Bruders Gunther Wünsche zu erfüllen&comma; und die Hochzeitsboten jagten selbigen Tages durch die Lande und entboten alle burgundischen Edlen gen Worms&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war ein Leben am Rhein&excl; Das war ein Singen und Springen bei emsiger Arbeit und fröhlicher Zurüstung&period; Mit den Meuten zogen die Jäger aus in die Wälder und Berge zu beiden Seiten des Rheins und brachten den Auerochsen heim&comma; den saftigen Hirsch und den Bären für leckeren Schinken&period; Die Fischer stellten die Reusen und warfen die Netze und holten den Hecht aus dem Rhein&comma; den rosigen Lachs und den fetten Aal&period; Herr Rumold rumorte in der Küche und verteilte in wenigen Tagen mehr Ohrfeigen an die tanzenden Küchenjungen als sonst in einem Jahre&period; Herr Hunold kam kaum noch aus dem Keller zum Vorschein&comma; und sein Heldenantlitz wurde von ernsten Weinproben röter als der purpurne Burgunder im Faß&period; Herr Sindold&comma; der Herold&comma; lief Tag und Nacht wie ein Wiesel treppauf&comma; treppab&comma; ließ die Gemächer instand setzen für die Unterkunft der vornehmen Gäste und die Tafeln aufschlagen für das Hochzeitsmahl&period; Frau Ute aber gab das schimmerndste Leinen heraus und das kostbarste Tafelgeschirr&comma; und Kriemhild saß stundenlang vor ihren Truhen und wählte das wunderlieblichste Gewand&comma; dem Helden Siegfried zu Gefallen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Tag des Einzugs kam&comma; und die Gäste strömten von nah und fern in die Hochzeitsstadt&comma; um König Gunther bei der Landung zu begrüßen&period; Da kamen auch aus Xanten König Siegmund und die Königin Siegelinde&comma; Siegfrieds betagte Eltern&comma; denen er Kunde geschickt hatte schon von der Küste aus&period; Und aus dem Walde kam Mime&comma; der Schmied&comma; auf einem großen Pferd&comma; und die Menschen lachten ihn aus wegen seines Höckers&period; Er aber achtete des Spottes nicht und freute sich im Herzen der Taten seines Pflegesohnes&period;<&sol;p>&NewLine;<p>In feierlicher Fahrt nahte das Königsschiff auf dem Rhein&comma; und auf dem Leinpfad hatten die Rosse zu ziehen&comma; daß sie es in den Hafen brächten&period; Hochgemut stand König Gunther an Bord&comma; die Krone auf dem Kopf&comma; und neben ihm stand Brunhild in nachtdunkler Schönheit&period; Inmitten der Ritter aber ragte Siegfried um Hauptes Länge hervor&comma; und sein goldenes Haar leuchtete weit in der Sonne&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Hei&comma; wie die Spielleute am Ufer bliesen und drommeteten&comma; fiedelten und schalmeiten&excl; Hei&comma; wie die Ritter mit Schwert und Speer die Schilde schlugen und alles Volk sang und jauchzte&excl; Ja&comma; das war ein Leben am Rhein&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>König Gunther führte an der Hand die stolze Brunhild vom Schiffe&period; Und Frau Ute schritt ihr entgegen samt ihren Kindern&comma; dem stattlichen Gernot&comma; dem fröhlichen Geiselher und der lieblichen Kriemhild&comma; und sie alle begrüßten Brunhild mit Kuß und Umarmung&period; Siegfried aber trat zu Gunther und mahnte ihn leise an die Erfüllung seines Versprechens&period; Da winkte König Gunther der errötenden Schwester&comma; daß sie Siegfried grüße&comma; und Siegfried nahm sie in beide Arme und küßte sie auf Augen und Mund&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Getraust du dich wohl&comma;« flüsterte er ihr zu&comma; »mein Weib zu werden&comma; du Liebliche&comma; wenn ich dir sage&comma; daß dein Bruder Gunther es nicht ungern sieht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da nickte sie nur und umhalste ihn&period; Und er hielt sie ganz fest und doch ganz zart in seinen Heldenarmen&period; Und dann führte er sie seinen Eltern zu&comma; die sich über die Maßen der lieblichen Schwiegertochter freuten&comma; und rief Mime herbei und ehrte ihn vor allem Volke durch Kuß und Umarmung&period; Da schwieg der Spott&comma; und niemand gewahrte mehr des Schmiedes Höcker&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nie zog ein glänzenderer Hochzeitszug zum Münster als der&comma; in dem Gunther mit Brunhild&comma; Siegfried mit Kriemhild schritten&comma; und der Dom faßte nicht die Menge der Gäste und des feiernden Volkes&comma; das die Kirchenstufen besetzt hielt und den weiten Platz&period; Und die Glocken sangen und jubilierten&comma; als die Vermählten den ragenden Münsterbau verließen und unter den Heilrufen des Volkes in die Königsburg einzogen zum festlichen Mahle&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auf erhöhten Thronsesseln saßen Gunther und Brunhild nieder&comma; und ihnen gegenüber&comma; auf gleich hohen Thronsesseln&comma; saßen Siegfried und Kriemhild&period; Die Gäste aber ringsum nach Rang und Stand sorglich geordnet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Einen finsteren Blick warf Brunhild auf Siegfried und rührte nichts an von Speise und Trank&period; Ungern gewahrte König Gunther das düstere Wesen des geliebten Weibes&comma; und leise und zärtlich befragte er sie nach Grund und Ursache&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie kann ich heiter sein&comma;« sagte Brunhild verächtlich&comma; »da ich sehen muß&comma; wie sehr dir der Stolz fehlt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Heiß errötete da Gunther und sprach&colon; »Der König der Burgunden hat des Stolzes genug&comma; und niemand darf daran zweifeln&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nennst du das Stolz&comma;« eiferte Brunhild&comma; »wenn des Königs Schwester gut genug befunden wird&comma; eines Dienstmannes Eheweib zu werden&quest; Nicht essen noch trinken mag ich vor Scham über solches Geschehnis&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und verlegen antwortete ihr der König&colon; »Er hat mir große Dienste getan&period; Frage nicht weiter und freue dich der süßen Stunde&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Brunhild aber blieb trotzig und hochfahrend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Dienste zu tun&comma; dafür ist er Lehnsmann&period; Es muß also ein Besonderes sein&comma; daß du ihn so verschwenderisch belohnst&comma; und mir soll es verborgen werden&period; Sag' mir die Wahrheit&comma; so dir daran liegt&comma; daß ich dir meine Liebe zeige&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da beteuerte ihr Gunther mit vielen Worten&comma; daß nirgend ein Geheimnis wäre und nur Siegfrieds Treue und Tapferkeit so hohen Lohn erführe&period; Sie aber blieb stumm und verschlossen den ganzen Abend über&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann nahten die Pagen mit den Fackeln&comma; die Vermählten in ihre Gemächer zu geleiten&comma; und Brunhild schritt hochmütig an der Seite ihres Gemahls&period; Und ohne ihn eines Blickes zu würdigen&comma; warf sie die Kleider ab und legte sich zu Bett&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Liebste&comma;« bat Gunther und wollte sie mit Zärtlichkeit streicheln&comma; »nun verscheuche die grollenden Gedanken und gib der Freude Raum&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie aber zürnte aus den Kissen heraus&colon; »Rühr' mich nicht an&comma; oder es ergeht dir schlimm&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da packte den König die Wut&comma; und er ergriff Brunhild bei den Armen&comma; um sie zu zwingen und sie seine Kraft spüren zu lassen&period; Sie aber sprang jach aus dem Bette auf&comma; befreite sich mit hartem Stoß von ihm&comma; umspann mit einer Hand seine beiden Handgelenke&comma; griff nach ihrem Gürtel&comma; schnürte ihm Arme und Beine zusammen und hing ihn wie ein Kleiderbündel an den Bettpfosten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ei&comma;« sagte sie&comma; »sieh an&period; Und von solchem Manne bin ich besiegt worden im Speer- und Steinwurf und heldischem Sprung in Panzer und Waffen&quest; Da steckt mir ein Geheimnis hinter&comma; und ich will es wissen&comma; mein Freund&comma; oder deine Liebe bleibt hübsch bei dir allein und findet nimmer Gegenliebe bei mir&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Gunther aber bat und bettelte&comma; ihn zu lösen aus der unwürdigen Haft&comma; und schwur hoch und teuer&comma; nur die Strapazen der langen Reise hätten seine Kraft ermüdet&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da lachte sie höhnisch auf&colon; »Träume süß&comma; mein Herr und Held&period; Und morgen nacht hänge ich dich wieder an den Pfosten&comma; so lange&comma; bis ich weiß&comma; was mir zu wissen ziemt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Damit legte sie sich ruhig zu Bett&comma; streckte die schönen Glieder und entschlummerte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war eine böse Nacht für König Gunther am Pfosten von Brunhilds Bett&period; Und als sie ihn am Morgen löste&comma; schmerzten ihn alle Knochen im Leibe&comma; so daß er kaum gehen und stehen konnte&period; Das sah Siegfried&comma; und er befragte ihn&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Lange zögerte Gunther mit der Antwort&period; Dann aber gestand er dem Schwager die Ereignisse der Nacht&period; »Was soll ich tun&quest;« fragte er und knirschte mit den Zähnen&period; »Ich werde zum Gespött der Welt&comma; wenn ich das Weib nicht zwinge&period; Und so blendend schön war sie in ihrem Zorn&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Vertraut mir&comma; Schwager&comma;« begann Siegfried nach einigem Sinnen&comma; »ich habe einen Plan&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O Siegfried&comma;« rief König Gunther&comma; »nennt ihn mir&comma; und sei er&comma; wie er sei&colon; ich will es Euch ewig danken&comma; so Ihr die Wilde zähmt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So hört mich an&comma;« sprach Siegfried&period; »Begebt Euch heute abend früher zur Ruhe&comma; damit es meine Frau Kriemhild nicht gewahrt&comma; daß ich ein Stündlein fehle&period; Wenn Ihr das Schlafgemach betretet&comma; bin ich schon&comma; wohl verborgen&comma; dort&period; Löscht gleich das Licht und zieht Euch in den äußersten Winkel zurück&period; Ich aber trete in der Dunkelheit an Eurer Stelle vor&comma; bändige Euch die Wilde und räume Euch wieder das Feld&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nicht sonderlich lieb war dem stolzen Könige der Vorschlag&period; Aber die Sorge trieb ihn&comma; daß er ihn annahm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Abend harrte der starke Siegfried im königlichen Schlafgemach&period; Hinter einem hohen Wandschirm stand er und wartete&period; Und König Gunther erschien frühzeitig mit seiner Königin Brunhild&comma; und als Brunhild die Kleider abwarf&comma; löschte Gunther das Licht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Glaubst du mir in der Dunkelheit zu entkommen&quest;« spottete Brunhild und legte sich zu Bett&period; »Nahe mir nur mit einem Schritt&comma; und ich hänge dich an den Pfosten&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da schlüpfte Siegfried hinter dem Schirm hervor&comma; und Gunther verbarg sich im Winkel&period;<&sol;p>&NewLine;<p>An das Bett trat Siegfried und griff sie hart beim Gewand&period; Brunhild aber sprang aus dem Bette heraus&comma; daß der Boden dröhnte&comma; und warf in wildem Ansturm den starken Mann an die Wand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hei&comma;« dachte Siegfried&comma; »um ein Haar&comma; und mir wäre der Kopf zerschellt&period;« Aber er sprach kein Wort&comma; damit seine Stimme ihn nicht verrate&comma; und stumm packte er aufs neue zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hast du noch nicht genug&quest;« rief die verwegene Frau&period; »Warte&comma; so werde ich dich schnüren&comma; daß dir der Atem vergeht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und sie warf ihm die Arme um den Leib&comma; daß Siegfried sich mit aller Gewalt gegen den Boden stemmen mußte&comma; um nicht vor solcher unbändigen Kraft den Halt zu verlieren&period; So rangen sie mit keuchendem Atem in der Dunkelheit und warfen sich an den Wänden hin&comma; daß es dem angstvoll lauschenden König Gunther im Blute grauste und er mehr als einmal aus einer Ecke in die andere schlüpfen mußte&comma; um nicht zu Boden getreten zu werden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mit einer Hand hatte Brunhild den Gürtel ergriffen und suchte des Gegners Hände damit zu umschlingen&period; Der Held dachte&comma; sein letztes Stündlein wäre gekommen&comma; und die Scham&comma; von einem Weibe besiegt zu werden&comma; gab ihm frische Kräfte und entfesselte seinen Grimm&period; Hatte er bisher immer noch die Frau und Königin in Brunhild geschont&comma; so griff er jetzt eiserner zu&period; Mit klammernden Fäusten packte er sie um den Leib&comma; schwang sie mit stürmender Kraft vom Boden auf und warf die Unbändige aufs Bett&comma; daß ihr die Glieder krachten&period; Auf wollte Brunhild&period; Er aber sprang zu ihr aufs Lager und umschlang sie so fest&comma; daß ihr der Atem stockte und alle Kraft zu Ende ging&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da begann sie zu bitten und zu stammeln&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O König Gunther&comma; verzeiht mir&period; Trotz und Ungestüm will ich von mir tun für mein ganzes Leben&period; Denn nun verspürte ich es wohl von Euren Schlägen und Griffen&comma; daß Ihr in Wahrheit der stärkste Mann der Erde seid&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber fühlte an ihrem Finger den Ring König Nibelungs&comma; den er ihr einst als Verlobungsring geschenkt hatte&comma; und er zog ihn ihr leise ab und steckte ihn an seine Hand und dachte nicht an den Fluch Nibelungs&comma; der im Ringe wohnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als wollte er sein Nachtgewand anlegen&comma; erhob er sich vom Lager&comma; und Gunther&comma; der Brunhilds demütige Worte vernommen hatte&comma; kam lautlos herbei und nahm Siegfrieds Platz&comma; während der Held heimlich aus der Tür entwich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>So wurde Brunhild die Gattin König Gunthers&comma; und da sie ihm ihre Liebe schenkte&comma; fielen alle heldischen Kräfte für immer von ihr ab&comma; und sie war nicht stärker mehr als andere schöne Frauen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Siegfried aber war unter der Tarnkappe aus dem Zimmer gewichen&comma; damit niemand vom Hofgesinde erspähen sollte&comma; daß er aus des Königs und der Königin Schlafkammer kam&period; Als er nun das eigene eheliche Schlafgemach erreichte&comma; hatte der Ringkampf mit König Gunthers Frau doch länger gedauert&comma; als er vorher vermutet hatte&comma; und er fand seine Frau Kriemhild schon wartend vor&period; Schnell zog er in der Tür die Tarnkappe ab und trat in seiner sichtbaren Gestalt an ihr Ruhelager&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Guten Abend&comma; herzallerliebste Frau&comma;« begrüßte er sie heiter und sah&comma; daß sie geweint hatte&period; Liebevoll beugte er sich über sie und befragte sie nach ihrem Kummer&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und Kriemhild seufzte unter Tränen und sprach&colon; »Kaum zwei Tage sind wir verheiratet&comma; und schon bin ich dir zur Langweile geworden&comma; so sehr&comma; daß du mich am Abend allein lässest&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O du süße Eifersucht&comma;« scherzte Siegfried und erzählte ihr&comma; daß König Gunther seiner noch bedurft hätte&comma; damit er ihm einen Dienst erweise&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du bist nicht sein Dienstmann&comma;« widersprach ihm die junge Gattin&period; »Du bist es nur freiwillig gewesen auf der Meerfahrt gen Island und aus Gründen klugsorgender Freundschaft&period; Das ist vorüber&comma; und die stolze Brunhild soll es unterlassen&comma; hochmütig auf meinen Helden herabzublicken&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da mußte Siegfried lachen&comma; denn er gedachte der heißen Stunde&comma; aus der er kam&comma; und der Demut Brunhilds&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Weshalb lachst du zu meinen Worten&quest;« fragte Kriemhild und griff bittend nach seiner Hand&period; Und als sie seine Hand berührte&comma; fühlte sie den fremden Ring an Siegfrieds Finger&comma; und sie setzte sich hastig aufrecht und betrachtete ihn mit immer starreren Augen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist — das ist Brunhilds Ring&comma;« stöhnte die Arme&period; »O leugne es nicht&comma; denn ich sah ihn selber an ihrer Hand&period; Ihretwegen hast du mich weinend warten lassen&comma; mit ihrem Zauber hat sie dich umstrickt&comma; und nun bin ich ein arm verraten Weib&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Die Hände schlug sie vor ihr erblaßtes Gesicht und warf sich schluchzend in die Kissen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ergriffen stand der Held vor ihrem jungen Schmerz&period; Tausend liebe Worte wußte er ihr zu sagen&comma; doch sie schüttelte nur den Kopf und schluchzte um so heftiger&period; »Nein&comma; Siegfried&comma; nein&comma; du sagst mir nicht die Wahrheit&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und da nichts fruchtete&comma; ihren heißen Schmerz zu lindern und die Tränen zu trocknen&comma; sprach Siegfried aus mitleidsvollem Herzen&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wohlan denn&comma; wir sind Mann und Weib&comma; und Mann und Weib sollen eins sein&period; So will ich dir denn alles berichten und auf die Verschwiegenheit meines lieben Weibes bauen&comma; wie ich auf mich selbst baue&period; Nie darf ein Lebender davon erfahren&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und er erzählte ihr sein ganzes Leben&comma; und wie er durch die Waberlohe geritten sei und Brunhild befreit habe&comma; wie sie sich miteinander verlobt hätten und wie er von ihr gegangen wäre um ihres unweiblichen Hochmuts willen&comma; der nicht so sehr nach dem liebenden Manne als nach dem mächtigen König verlangt hätte&period; »Dann sang nach Jahren des Vergessens Herr Volker in der Halle von Brunhilds Schönheit und Kraft&comma; und König Gunther entbrannte nach ihr&period; Ich aber hatte dich gesehen&comma; meine wunderliebliche Kriemhild&comma; und kein anderes Bild hatte mehr in meinem Herzen Raum&period; Um dich zu gewinnen&comma; führte ich selber den König nach Island&comma; nur um deinetwillen&comma; weil Gunther dich mir zum Lohne verhieß&comma; ging ich als sein Dienstmann in seinem Gefolge&comma; denn nimmermehr hätte Brunhild ihn angeschaut&comma; hätte ich als gleichberechtigter Recke neben ihm gestanden&period; Um dich zu gewinnen&comma; kämpfte ich unter der Tarnkappe&comma; die mich unsichtbar macht&comma; an Gunthers Seite&comma; warf für ihn den Speer und den Stein und trug ihn im Weitsprung durch die Luft&period; Das alles tat ich um der Liebe meiner Kriemhild willen&period; Und fuhr zurück zum Nibelungenhort und holte die Schätze und Ritter&comma; um Gunther mit seinen Gesellen zu lösen und Brunhild zur Hochzeitsfahrt gen Worms zu vermögen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Längst hatten Kriemhilds Tränen aufgehört zu fließen&period; In heimlicher Bewunderung staunte sie ihren Helden an&comma; und ihre Brust ging hoch&comma; als ihr Herz von so unablässiger Liebe erfuhr&period; Aber an Siegfrieds Hand funkelte hämisch der Ring&comma; und sie begann aufs neue zweifelnd zu fragen&colon; »Weshalb gingst du heute zu ihr&comma; und weshalb gab sie dir den Ring zum Pfande&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Da berichtete ihr Siegfried von König Gunthers Not um das Weib&comma; von Gunthers beweglicher Klage und Verzweiflung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sollte ich den Schwager&comma; nachdem ich ihn so weit geführt hatte&comma; so tief in Schande stürzen lassen&quest; Deinen Bruder&comma; Kriemhild&comma; der mir diese süßselige Frau bescherte&quest; Ich war im Glück&comma; Kriemhild&comma; und der ist des Glückes nicht wert&comma; der an anderer Unglück vorübergeht&period; Darum war ich bei Gunther in dieser Nacht und bändigte ihm in der Dunkelheit seine wilde Genossin also&comma; daß sie nicht anders vermeint&comma; als es sei Gunthers Kraft gewesen&comma; dem sie jetzt zärtlich und in Liebe ergeben am Halse hängt&period; Mich aber verführte das Glitzern des Ringes&comma; daß ich das Kleinod ihr abstreifen mußte&period; Denn kein anderes Weib darf einen Verlobungsring von mir tragen&comma; als die&comma; deren Seele mich liebt im Glück wie in der Not&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O du mein Friedel&excl;« rief Kriemhild&comma; umhalste ihn und barg ihr Köpfchen an seiner Brust&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war für den Helden eine selige Freude&comma; und er nahm den Ring von seinem Finger und schenkte ihn der süßen Genossin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Doch trage ihn nicht anders&comma;« forderte er&comma; »als wenn Brunhild es nicht sieht&period; Damit sie nie erfährt&comma; daß es nicht Gunther war&comma; der ihr Ring und Heldentum nahm&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>So kam der Ring Nibelungs in Kriemhilds Besitz&comma; und der Fluch war nicht aus ihm gewichen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Brunhild aber ging viele Tage umher und schämte sich&comma; weil sie ein Weib geworden war wie andere und nicht mehr die unbezwingliche Heldenjungfrau&period; Und es war ihr arg&comma; daß Siegfried sie als demütige Frau eines andern Mannes sah&comma; denn so sehr sie Siegfried einst geliebt hatte&comma; so sehr haßte sie ihn jetzt wegen seiner alles überstrahlenden Männlichkeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da rief sie Hagen zu sich und beriet sich mit ihm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und der grimme Hagen von Tronje sprach&colon; »Nichts anderes darf es in der Welt für mich geben als die Größe meines Königshauses&period; Wer dein Feind ist&comma; o Königin&comma; ist hinfort auch der meine&period; Eine andere Treue kenne ich nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Beide Hände reichte ihm Brunhild dar&comma; und der finstere Einäugige beugte sich über ihre Hände und küßte sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Und wo sie gingen und standen&comma; berieten sie Siegfrieds Untergang und bespähten heimlich des Helden Schritte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war dem sorgenden Mime nicht entgangen&comma; der immer noch zu Worms weilte&comma; und er belauschte der beiden heimliche Gespräche und erfuhr&comma; was sie im Schilde führten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Heimgekehrt nach Xanten waren Siegfrieds betagte Eltern&comma; König Siegmund und Königin Siegelinde&comma; und hatten den Helden gebeten&comma; heimzukommen und die Regierung zu übernehmen&period; Und ein Bote erschien vor Siegfried&comma; den hatte Lüdeger gesandt&comma; der König vom Sachsenland&comma; und die Botschaft lautete so&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ohne Erben ist König Lüdeger&comma; und bald wird der Thron des Sachsenlandes verwaist sein&period; Weil du aber&comma; Held Siegfried&comma; nicht nur als der tapferste Degen in der Schlacht&comma; sondern auch als der ritterlichste Mann dem Wehrlosen gegenüber von König Lüdeger befunden wurdest&comma; so will er dir&comma; wenn er abgerufen wird von dieser Erde&comma; Thron und Krone des Sachsenlandes hinterlassen&comma; und er grüßt dich aus der Ferne als seinen Sohn und Erben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>So lohnte sich reich ein ritterlicher Sinn&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Seinen Lehrer und Pflegevater Mime rief Siegfried herbei und teilte ihm die hohe Botschaft mit&period; Und des Mißgestalteten Augen leuchteten vor Freude&comma; als er seinen Zögling so hoch gestiegen sah durch Kraft und reine Gesinnung&period; Doch die Sorge wurde noch mächtiger in ihm&comma; und er riet dem Helden mit bittenden Worten&colon; »Sprich zu keinem an Gunthers Hofe von Lüdegers hochherzigem Geschenk&period; Brunhild und Hagen sind dir feind und auch Gunther will dir nur vor den Augen wohl&period;« Und er erzählte ihm alles&comma; was er erlauscht hatte&comma; und beschwor ihn unter Anrufung von Kriemhilds Namen&comma; das Burgundenland zu verlassen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Da gab Siegfried endlich dem Drängen nach&comma; um Kriemhilds Ruhe willen&comma; und Mime gebot Siegfrieds Nibelungenrittern&comma; sich in der Stille bereit zu halten&period; Und in der nächsten Nacht ritten Siegfried mit Kriemhild und Mime an der Spitze der Nibelungenritter heimlich zum Tore hinaus gen Xanten am Niederrhein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Wie da Brunhild tobte&comma; als sie am Morgen die Herberge leer und ihren Haß betrogen fand&period;<&sol;p>

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