Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Tante Toni und ihre Bande
(Alberta von Brochow)

7. Kapitel
Bambula, der Puppenfresser. Otto, weißt du nun, wie es tut?

<p>Am andern Tag hatte Tante Toni heftige Kopfschmerzen&period; Als diese gegen Mittag etwas besser wurden&comma; ging sie zu klein Toni hinauf&comma; die mit einer Erkältung und etwas Fieber zu Bett lag&period; Sie setzte sich zu ihr hin und fragte&colon; „Nun&comma; wie ist es dir denn gestern gegangen&comma; meine liebe kleine Freundin&quest; Warst du recht vergnügt mit Mama und mit den Kleinen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O ja&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; nickte Tonichen&semi; „Tante Luise ist auch gekommen mit dem kleinen Bubi&semi; der ist gestern drei Jahre alt geworden&comma; und da hat er ein ganz schwarzes Püppchen bekommen&comma; ein Mohrenkind&comma; und das hat er mitgebracht&comma; und denke dir&comma; Tante – ach&comma; das war zu drollig &period;&period;&period;&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und nun fing Toni an&comma; so zu lachen&comma; daß sie gar nicht mehr weitererzählen konnte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Erzähl' doch erst und lach' nachher&comma; damit ich wenigstens mitlachen kann&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; meinte Tante Toni&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Also hör&comma; Tante&excl; Der Bubi ist mit seinem Bambula – so heißt sein schwarzes Püppchen – gekommen und hat ihn uns gezeigt&comma; und Minnichen hat sich ein bißchen gefürchtet&comma; aber nur anfangs&comma; hernach nicht mehr&comma; und dann hat Bubi sogar seinen Neger zum Püppchen von Minnichen ins Bett gelegt&comma; und wie Minnichen gerad' ein bißchen am Fenster war&comma; da hat der Bubi auf einmal geschrien&colon; ‚Minnichen&comma; tomm deswind sehn&comma; dei Püppchen is weck – der Bambula hat's aufdefressen&excl;&OpenCurlyQuote; Und 's weiße Püppchen war wirklich fort&period; Wie aber jetzt Minnichen angefangen hat zu weinen&comma; da hat der Bubi gesagt&colon; ‚Nit weinen&comma; Minnichen&excl; 's Püppchen is widder da&comma; Bambula hat's widder rausdebrockelt&period;&OpenCurlyQuote; Und richtig&comma; Tante&comma; das Püppchen lag auf einmal wieder im Bettchen&comma; und da hätt'st du mal sehen sollen&comma; wie Minnichen ihr Püppchen genommen und geherzt und geküßt hat und wie sie dem Bambula böse Augen und strenge Gesichter gemacht hat – aber nur von fern&comma; denn das arme Minnichen hat sich jetzt selbst wieder ein bißchen vor dem bösen Mohren gefürchtet&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Jetzt wurde Tonis Erzählung durch einen Hustenanfall unterbrochen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„O&comma; wie du hustest&comma; mein Herzchen&excl; Ich hätte dich nicht so erzählen lassen sollen – du sollst wohl gar nicht viel sprechen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach&comma; Tante&comma; das ist nicht so schlimm&semi; ich hab' ja schon so oft Husten gehabt&excl; Du mußt dir wirklich hernach von Minnichen selbst erzählen lassen&comma; wie Bambula ihr Püppchen gefressen hat&semi; da mußt du wirklich ganz schrecklich lachen&comma; Tante&period; Geh' nur mal hinüber ins Kinderzimmer – aber dann kommst du wieder zu mir&comma; gelt&comma; Tantchen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gewiß&comma; Kleines&comma; ich komme gleich wieder&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Als die Tante ins Kinderzimmer trat&comma; saß Minnichen mit tiefbetrübter Miene neben ihrem Puppenbettchen&comma; während Leo&comma; die Stirne in ernste Falten gelegt&comma; dabeistand&semi; er hatte eine große Brille – ohne Gläser – auf seinem Näschen sitzen und hielt eine leere Milchflasche unter dem Arm&period; Er räusperte sich&comma; genau wie der gute alte Hausarzt es zu tun pflegte&comma; und dann sagte er mit der tiefsten Stimme&comma; die er hervorbringen konnte&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wir werden das kranke Kind impfen müssen&semi; es gibt kein anderes Mittel&comma; um's wieder gesund zu machen – aber erst muß es Medizin nehmen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann schüttelte er die Milchflasche kräftig&comma; und ein Puppenlöffelchen unterhaltend&comma; zählte er langsam und bedächtig&colon; „Eins – zwei – drei – mehr wie drei Tropfen darf man nicht geben&comma; sonst stirbt das Kind&semi; denn die Medizin ist Gift&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Erst nachdem er das Löffelchen dem kranken Puppenkind hingehalten hatte&comma; drehte er sich nach Tante Toni um&comma; und ihr die Hand reichend&comma; sagte er sehr ernsthaft&colon; „Ach&comma; guten Tag&comma; Fräulein&excl; Wie geht es Ihnen&quest; Soll ich Ihren Puls fühlen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Tante Toni ging natürlich auf das Spiel der Kleinen ein und sagte&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach&comma; guten Tag&comma; Herr Doktor&excl; Ich danke Ihnen&comma; mir geht es ganz gut&semi; aber das Kind dort scheint recht krank zu sein&period; Wohl auf den Schrecken von gestern&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; ja&comma; es steht schlimm&comma; recht schlimm&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Dabei machte Leo die größten Anstrengungen&comma; seine Stirne noch mehr zu runzeln&comma; wobei jedoch seine große Brille ins Rutschen kam&period; Tante Toni hatte große Mühe&comma; das Lachen zu verbeißen&period; Leo aber ließ sich nicht irremachen&semi; er stellte seine Milch- oder vielmehr seine Medizinflasche auf die Erde und rückte seine Brille wieder zurecht&period; Jetzt kam auch Minnichen&comma; und die Tante zum Puppenbettchen ziehend sagte es&colon; „Arm Poppelsen&comma; wehweh hat&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun fiel aber Leo aus der Rolle&comma; denn der kleine Lehrmeister bekam wieder die Oberhand&comma; und er sagte eifrig&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Minnichen&comma; erzähl' mal der Tante&comma; wer hat dein Püppchen krank gemacht&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Böser Bambula&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; sagte die Kleine&comma; ein Schnütchen machend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Hörst du&comma; Tante&comma; wie gut sie schon ‚Bambula&OpenCurlyQuote; sagen kann&quest; Sie hat es doch gestern zum erstenmal gehört&comma; und es ist auch gar kein leichtes Wort&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun&comma; an ihren gestrigen Schrecken denkend&comma; geriet Minnichen auch in Eifer&comma; und sie erzählte&colon; „Bös Bambula Poppelsen von Minnisen aufdefeßt – so &period;&period;&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Und die Kleine sperrte ihr Mündchen auf&comma; so weit sie nur konnte&comma; und auf Tante Toni sich stürzend&comma; machte sie „Happ&comma; happ&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; als wollte sie diese verschlingen&period; Dann erzählte sie weiter&comma; ihre Worte mit sehr ausdrucksvollen Gebärden begleitend&colon; „Und Minnisen hat weint&comma; so&colon; ‚Hiehiehie&excl;&OpenCurlyQuote; Dann hat Bambula bockelt&comma; so&colon; ‚Bröh – bröhx&OpenCurlyQuote;&comma; und da war Poppelsen widder da&period; Aber Minnisen hat sehr sankt Bambula&comma; so &period;&period;&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Und Minnichen riß die Äugelchen weit auf&comma; machte ein bitterböses Gesicht und drohte mit dem Fingerchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Huh&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; machte Tante Toni zurückfahrend&comma; „da war der Bambula aber sicher sehr bang&comma; wie er dein strenges Gesicht gesehen hat&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; antwortete Leo für sein Schwesterchen&comma; „wir haben ihm gesagt&comma; er dürfe nicht mehr zu uns auf Besuch kommen sonst würde er einfach nausgeschmissen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nausmissen&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; bekräftigte Minnichen mit energischem Kopfnicken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Den Nachmittag dieses Tages brachte Tante Toni am Bettchen ihres Patenkindes zu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Tante&comma; ich muß dir etwas sagen&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; flüsterte klein Toni ernsthaft&comma; ein wenig zögernd&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Was denn&comma; mein Liebling&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich bin wieder mal sehr zornig und sehr böse gewesen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O Tonichen&comma; wirklich&quest; Das tut mir aber leid&period; Dir gewiß auch&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich weiß nicht recht&comma; Tante&period; Es tut mir schon leid&comma; daß ich so zornig war&comma; weil das den lieben Gott beleidigt&semi; aber ich bin noch immer bös&comma; sehr bös auf Otto&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach&comma; ist es das&quest; Anna hat dir wohl erzählt&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; Tante&period; Und wie du geweint und dich gesorgt hast&comma; und daß der Otto nicht einmal gezankt worden ist&period; Und da hab' ich gewünscht&comma; der liebe Gott möchte ihn selbst recht tüchtig strafen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O nein&comma; Tonichen&comma; nein&comma; das sollst du nicht&excl; Wir wollen lieber beten für ihn&comma; damit er sein Unrecht einsieht&comma; dann wird es ihm sicher selbst sehr leid tun&period; O Tonichen&comma; das war ein häßlicher Wunsch&semi; einen solchen darf meine kleine Freundin nie mehr haben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber Tante&comma; er war doch so bös gegen dich&comma; der Otto&comma; und du bist so lieb und gut&excl; Nein&comma; ich mag ihn gar nicht mehr&comma; den bösen&comma; garstigen Buben&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Du kränkst mich&comma; Tonichen&comma; wenn du so sprichst&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O Tante&comma; ich will dich nicht kränken&comma; und es ist ja&comma; weil ich dich so sehr lieb hab' &period;&period;&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Und schluchzend schlang klein Tonichen ihre Ärmchen um den Hals der Tante&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich weiß es ja&comma; mein Liebling&comma; ich weiß es ja&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; suchte die Tante das weinende Kind zu beruhigen&period; „Und weil du die Tante Toni so lieb hast und ihr eine ganz besondere Freude machen willst&comma; wirst du diesen Abend beim Abendgebet ein Vaterunser für unsern lieben&comma; armen Otto beten&period; Willst du&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Tonichen nickte unter Tränen lächelnd&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Und nun liege recht still und ruhig&comma; sonst mußt du wieder so stark husten&period; Ich erzähle dir auch&period; Was möchtest du gerne hören&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O bitte&comma; Tante&comma; erzähle mir noch einmal die Geschichte von dem kleinen Johannes&comma; den niemand lieb hatte und der in der Weihnachtsnacht gestorben ist&comma; gerade nachdem er den lieben Heiland empfangen hatte&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und Tante Toni erzählte&comma; während klein Toni begierig lauschte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„O wie schön&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; seufzte sie am Schluß der Erzählung&period; „Ich möchte auch sterben wie der kleine Johannes&comma; gleich nach meiner ersten heiligen Kommunion&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Später kam auch Tonis Mutter und setzte sich an ihr Bettchen&semi; da strahlte ihr Gesichtchen vor Freude&comma; und sie sagte&colon; „Jetzt bin ich so froh&comma; so froh&comma; weil ihr alle beide bei mir seid&semi; bleibt nur recht lange hier&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; recht lange&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; wiederholte die Mutter leise&comma; und sie blickte voll Liebe und Besorgnis in das blasse Gesicht ihres Töchterchens&comma; und so oft dieses hustete&comma; ging es wie ein Stich durchs Herz der Mutter&semi; klein Toni merkte das&comma; und sie gab sich von nun an alle Mühe&comma; ihren Husten zurückzuhalten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war schon ziemlich spät am Nachmittag&comma; als auf einmal Paul hereinkam und rief&colon; „Tante Toni&comma; komm doch schnell einmal herunter&excl; Der Otto ist da und fragt nach dir&comma; und er sieht ganz verstört aus&comma; aber er will mir nicht sagen&comma; was er hat&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Sofort eilte Tante Toni hinunter&comma; und als sie ins Zimmer trat&comma; da stürzte Otto wie verzweifelt auf sie zu und schrie&colon; „Tante&comma; Tante&comma; hilf mir&comma; ich bitte dich&comma; hilf mir&excl; Ich weiß nicht mehr&comma; was ich anfangen soll&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Um Gottes willen&comma; Otto&comma; was ist denn geschehen&quest; Ist deinem Vater etwas zugestoßen&quest; So sprich doch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun brach Otto in krampfhaftes Schluchzen aus&comma; dazwischen stammelte und stieß er einige Sätze und Wörter hervor&comma; wovon die Tante aber nur verstand&comma; sein Vater müsse ins Gefängnis&comma; und er&comma; Otto&comma; sei schuld daran&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das kann ja gar nicht sein&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief die Tante aus&period; „Komm&comma; nun setz' dich her zu mir und versuche ruhiger zu werden&comma; dann erzählst du mir ganz genau&comma; was vorgefallen ist&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber es dauerte noch einige Zeit&comma; ehe Otto ordentlich sprechen konnte&comma; und er schluchzte noch häufig auf&comma; während er erzählte&colon; „Ich saß vorhin an meinem Studierpult in Vaters Zimmer&comma; und Papa stand vor seinem Schreibtisch&comma; wo er Papiere durchsah&semi; er hatte sie aus dem eisernen Schrank genommen&comma; der in der Ecke steht und wo er alle wichtigen Papiere und das Geld drin aufhebt&semi; du kennst ihn ja&comma; Tante&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; gewiß – es waren also jedenfalls sehr wichtige Papiere&comma; die er vor sich hatte&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Otto nickte und fuhr fort&colon; „Auf einmal kam Lina herein und sagte&comma; Papa möge doch schnell einmal hinunterkommen&comma; der Herr Dorr sei da und der habe es sehr eilig&period; Papa wollte die Papiere erst wieder in den Geldschrank legen&comma; der war aber schon zugeschlossen&comma; und so legte er nur einen Beschwerstein darauf und sagte zu mir&comma; er käme sofort zurück&comma; er hätte nur einen Augenblick mit Herrn Dorr zu sprechen&comma; und ich solle inzwischen auf die Papiere achten&comma; denn sie seien sehr&comma; sehr wichtig&comma; ich solle mich aber nicht unterstehen&comma; sie anzurühren&period; Dann ging Papa hinaus&comma; und er ließ die Türe offenstehen&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Nun fing Otto wieder an zu weinen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Und jetzt hast du die Papiere doch angerührt&comma; Otto&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Zuerst nicht&comma; Tante&excl; Ich wollte ja dem Papa gehorchen&semi; wie er aber dann so lange ausblieb&comma; da mußte ich immer wieder nach den Papieren hinsehen&comma; und ich hätte doch so gerne gewußt&comma; was es für Papiere wären&comma; und – da nahm ich den Stein ab&period; O hätt' ich es nicht getan&excl; – Im selben Augenblick hörte ich im Garten draußen einen lauten Schrei&comma; ich lief schnell ans Fenster&comma; um zu sehen&comma; was es gäbe&comma; und ich muß wohl in der Eile vergessen haben&comma; den Stein wieder auf die Papiere zu legen&period; Ich riß das Fenster auf&comma; um hinauszusehen&comma; aber im selben Augenblicke entstand Zugluft&comma; und alle Papiere flogen im Zimmer herum und mehrere sogar zum Fenster hinaus&period; Ich stürzte sofort hinunter&comma; um sie wieder zusammenzusuchen&period; Die alte Babett&comma; die gerade unten war&comma; hatte schon einige aufgehoben&comma; und sie half mir suchen&comma; bis wir keins mehr fanden&period; Als ich wieder hinaufkam&comma; da war Papa inzwischen zurückgekommen&comma; und er hatte die Papiere&comma; die im Zimmer herumgeflogen waren&comma; schon aufgelesen&period; Ach&comma; Tante&comma; ich möchte&comma; er hätte mich recht gezankt&comma; ja ich möchte&comma; er hätte mich sogar geschlagen&comma; ich hab's verdient&semi; aber er hat gar nichts gesagt&comma; er hat mich nur einmal angeschaut – o Tante&comma; ich kann dir nicht sagen&comma; wie&excl; Dann hat er gleich die Papiere nachgesehen&comma; und es hat eins gefehlt&excl; Tante&comma; denke dir&comma; gerade das allerwichtigste – das&comma; welches er morgen beim Gerichte unbedingt braucht&excl; Und dann haben wir im Hause und im Garten alles&comma; alles durchsucht&comma; aber wir haben nichts gefunden&period; Ach&comma; Tante&comma; und dann hat sich der Papa an seinen Schreibtisch gesetzt und ist&comma; mit den Händen vor dem Gesicht&comma; lange sitzen geblieben&comma; ohne sich zu rühren&comma; bis ich's nicht mehr aushalten konnte und ihn gebeten habe&comma; er möge mir doch verzeihen&excl; Da hat er mich wieder angesehen&comma; noch weher wie vorhin&comma; und hat gesagt&colon; ‚Ich hab' dir schon verziehen&comma; aber an diesem Papier hing mehr als mein Leben – an ihm hing meine Ehre&period;&OpenCurlyQuote; Und nun sitzt er immer noch am selben Platz&comma; ganz still und&comma; Tante&comma; du kannst dir nicht denken&comma; wie er aussieht&comma; ganz anders wie sonst&comma; viel älter&excl; O komm doch mit zu ihm&excl; Ich hab' ihm gesagt&comma; ich ginge dich holen&comma; da hat er genickt&period; Komm&comma; Tante&comma; hilf uns&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; Otto&comma; schnell zurück zu deinem Vater&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Die Tante nahm sich kaum die Zeit&comma; ihren Hut aufzusetzen&comma; und als sie wenige Minuten später in das Zimmer ihres Bruders kam&comma; fand sie diesen genau so&comma; wie Otto gesagt hatte&period; Er nickte seiner Schwester zu&comma; und als diese&comma; ihn fest umschlingend&comma; sagte&colon; „Mut&comma; Robert&comma; ich werde nochmal suchen&comma; ich muß es finden&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; da schüttelte er den Kopf und sagte&colon; „Such' nur&comma; aber es wird umsonst sein&comma; ich habe überall nachgesehen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie begann sofort zu suchen&comma; jedes Eckchen genau zu durchforschen&comma; aber umsonst&comma; das Papier blieb verschwunden&period; Otto brach aufs neue in Tränen aus&period; „O&comma; was hab' ich getan&comma; was hab' ich getan&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; jammerte er und wollte sich auf die Erde niederwerfen&comma; aber Tante Toni faßte ihn bei der Hand und zog ihn aus dem Zimmer&comma; denn sie sah&comma; daß ihrem Bruder etwas Ruhe und Stille nottat&period; An der Treppe stießen sie auf Lilly&comma; die ganz blaß und verstört aussah&semi; sie sah ihren Bruder scheu und ängstlich an&comma; und sich an die Tante hindrängend fragte sie leise&colon; „Hat Otto etwas sehr Schlimmes getan&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Die Tante antwortete eilig&colon; „Er war sehr ungehorsam&comma; aber du siehst ja&comma; wie leid es ihm tut&comma; und deshalb wird auch gewiß alles gut werden&period; Sei du nur ruhig und bete zu deinem und deines Bruders Schutzengel&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Dann folgte sie Otto&comma; der schon in sein Schlafzimmer gegangen war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Otto hatte sich auf sein Bett geworfen und er schluchzte herzbrechend&period; Plötzlich richtete er sich auf und rief aus&colon; „Tante&comma; weißt du noch&comma; gestern&comma; wie du gesagt hast&comma; ich wüßte noch nicht&comma; wie es tut&quest; Jetzt weiß ich's&comma; o ja&comma; jetzt weiß ich's&excl; O Tante&comma; es ist zu schrecklich&comma; diese Angst&excl; O wär' ich doch lieber gestorben&excl; Ich kann's ja nicht mehr aushalten&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und wie verzweifelt wälzte er sich auf dem Boden&period; Tante Toni kniete neben ihm nieder&comma; und sie versuchte ihn aufzurichten&comma; während sie mit sanftem Vorwurf sagte&colon; „Otto&comma; so darfst du nicht reden&semi; du fügst noch neues Unrecht zum andern&period; Komm&comma; laß uns zusammen beten&semi; das ist das einzige&comma; was uns helfen und erleichtern kann&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Beten&quest; Ach nein&semi; beten&comma; das kann ich nicht&excl; Der liebe Gott will doch gewiß nichts mehr von mir wissen&comma; ich bin viel zu bös&excl; Jetzt weiß ich&comma; wie bös ich immer war&comma; wie ich den armen Rudi nicht leiden konnte und wie ich ihn so viel geärgert und zornig gemacht habe&comma; und er ist auch sehr oft wegen mir gezankt und gestraft worden&period; Und auch gegen die andern&comma; sogar gegen Lilly war ich oft recht garstig&comma; und gestern gegen dich&comma; Tante Toni&semi; ich war ja so bös auf dich&comma; weil der Rudi mitgehen durfte und weil du ihn gegen mich in Schutz nahmst&comma; und ich wollte mich rächen&comma; deshalb hab' ich dir so Angst gemacht&semi; aber ich wußte nicht&comma; nein&comma; Tante&comma; ich wußte wirklich nicht&comma; wie das ist&excl; O Tante Toni&comma; und jetzt bist du doch wieder so gut zu mir&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; Otto – ach&comma; ich möchte dir so gerne aus deiner Not helfen&excl; Aber hier kann jetzt nur noch der liebe Gott helfen – komm&comma; laß uns beten&period; Er ist ja so gern bereit&comma; dir zu verzeihen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; Tante Toni&comma; der liebe Gott kann mir noch nicht verzeihen&semi; er weiß&comma; wie falsch ich war und wie ich dem Papa immer alles verkehrt erzählt habe und auch wieder gestern&period; O&comma; gestern hab' ich ihm auch noch lang nicht alles gesagt&comma; wie es war – und jetzt&excl; Ich möcht' es ihm ja sagen&comma; aber dann wird er noch trauriger sein&comma; und doch – ich kann doch nicht recht beten&comma; solang ich's ihm nicht gesagt habe&excl; O Tante&comma; sag' mir doch&comma; was ich tun soll&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Tante Toni überlegte ein Weilchen&comma; dann sagte sie&colon; „Ich hätte deinem Vater gern jeden weiteren Schmerz erspart&comma; und doch glaube ich&comma; daß du recht hast und deiner Regung folgen sollst&period; Es ist immer besser&comma; den Weg der Wahrheit zu gehen&comma; und dein offenes Geständnis ist deinem Vater ja ein Beweis&comma; daß du dich ernstlich bessern willst&comma; und wird sein bester Trost in allem Leide sein&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Soll ich denn jetzt gleich hinuntergehen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gewiß&excl; Die Ausführung eines solchen Entschlusses soll man niemals verschieben&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Dann komm&comma; Tante&comma; geh' mit mir&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; Kind&comma; das mußt du mit deinem Vater allein ausmachen&period; Ich warte hier auf dich und bete unterdessen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Mit klopfendem Herzen ging Otto wieder hinunter zu seinem Vater&period; Er fand diesen noch immer in derselben Stellung an seinem Schreibtisch und so tief in Nachdenken versunken&comma; daß er seines Sohnes Eintritt gar nicht bemerkte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Vater&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte dieser leise bittend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Mehring blickte auf&period; Er machte erst eine ungeduldige Bewegung&comma; aber den flehenden Ausdruck in Ottos Antlitz bemerkend&comma; fragte er ernst&comma; aber gütig&colon; „Hast du mir noch etwas zu sagen&comma; mein lieber Sohn&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und nun fing Otto an zu bekennen&period; Erst langsam und zögernd&comma; dann aber ging es immer leichter&comma; und er machte ein offenes und freimütiges Bekenntnis der gestrigen Begebnisse sowie überhaupt all seiner Schuld&comma; so wie er sie in dieser schweren Stunde erkannt hatte&period; Der Vater hörte stillschweigend zu – manchmal kam es Otto vor&comma; als ob er leise seufze&comma; aber als er dann stockte und nicht mehr recht weiterkonnte&comma; da blickte der Vater ihn ermunternd an und sagte&colon; „Sprich nur weiter&semi; habe Mut und sage alles&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Und Otto sagte alles&comma; und zum Schluß kniete er nieder&comma; und den Kopf auf des Vaters Knie legend fügte er hinzu&colon; „Vater&comma; lieber Vater&comma; du sollst sehen&comma; ich werde nun anders werden – ich verspreche es dir und dem lieben Gott&period; O könnt' ich doch nur – könnt' ich alles wieder gutmachen&excl; O mein lieber&comma; guter Vater&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Der Vater legte die Hand auf des Sohnes Haupt&period; „Ich danke dir&comma; Kind&comma; für dein offenes Bekenntnis&period; Es ist ja gewiß sehr schmerzlich für mich&comma; zu erfahren&comma; wie sehr ich mich in dir getäuscht habe – aber dein Mut und deine Offenheit bürgen mir für deine jetzigen guten Gesinnungen und auch für die Zukunft&period; Glaube mir&comma; mein Sohn&comma; ich will gern diese Prüfung tragen&comma; ich will sie sogar segnen&comma; wenn sie dazu dienen soll&comma; aus dir einen guten&comma; offenen und pflichttreuen Menschen zu machen&period; Und nun geh' zur Ruhe&comma; mein liebes Kind – lege dich schlafen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O Papa&comma; wie könnt' ich denn schlafen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Warum solltest du denn nicht schlafen können&comma; jetzt mit deinem erleichterten Gewissen – und besonders wenn du es aus Gehorsam versuchst&quest; Gute Nacht&comma; mein lieber Sohn – Gott segne dich&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und der Vater küßte den Sohn auf die Stirne&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann ging Otto hinauf&comma; und nun konnte er mit Tante Toni beten&comma; so recht von Herzen und mit Vertrauen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach dem Gebete sagte Tante Toni&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nun leg' dich zu Bett&comma; mein lieber Bub&comma; und schlafe&semi; du kannst nun ruhig alles dem lieben Gott überlassen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O Tante&comma; gehst du fort&comma; gehst du wieder hinüber zu Wulffs&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; nein&comma; ich bleibe hier&semi; ich will hinübertelefonieren&comma; damit man drüben nicht auf mich wartet&period; Ich komme hernach noch einmal nach dir sehen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Tante Toni das Zimmer verlassen hatte&comma; legte Otto sich gehorsam zu Bett&comma; und er schloß die Augen&period; Aber der Schlaf wollte nicht kommen&period; Immer und immer wieder mußte er an das Papier denken&comma; an das schreckliche Papier&period; „Ach&comma; wüßt' ich doch nur&comma; was das für ein Papier ist&comma; von dem so viel abhängen kann&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Wie hatte der Vater gesagt&quest; „Mehr als mein Leben – meine Ehre&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und nun kam es wieder&comma; das Schreckgespenst – das Gefängnis&excl; – Sein lieber&comma; edler Vater unschuldig im Gefängnis&comma; durch seine&comma; des eigenen Sohnes Schuld&excl; – Nein&comma; das war gar nicht auszudenken – das konnte er nicht ertragen&period; „Ach&comma; hätt' ich doch gefolgt&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; stöhnte er&comma; „hätt' ich doch den Stein und die Papiere nicht angerührt – so wäre das alles nicht passiert&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und Otto weinte in sein Kissen hinein&comma; und dann betete er wieder&colon; „Ach&comma; lieber Gott&comma; hilf doch&excl; Ich bitte dich&comma; hilf – ich will ja auch ein ganz anderer Bub werden&comma; ich versprech' es dir – o hilf uns doch&comma; lieber&comma; allmächtiger Gott&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach diesem Gebet fühlte er sich ein wenig ruhiger&comma; aber schlafen konnte er doch nicht&comma; er mußte wieder an seinen lieben Vater denken – ob er nun wohl noch immer unten an seinem Schreibtisch saß&comma; so still&comma; so niedergebeugt&quest; O was hatte er ihm doch angetan&comma; diesem seinem guten Vater&excl; Wenn er doch wenigstens etwas für ihn tun könnte&comma; wenn er doch wüßte&comma; ob der Vater noch immer so hoffnungslos ist&excl; – Tante Toni&comma; wo bleibst du so lang&quest; Es ist Otto&comma; als müsse er ersticken unter der Last&comma; die ihm auf dem Herzen liegt – er kann's nicht mehr ertragen – er richtet sich auf in seinem Bett – ist er denn ganz allein&quest; Kommt niemand ihm helfen&comma; ihn trösten&quest; O Tante&comma; Tante Toni&comma; komm' doch&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Hatte er es laut gerufen&quest; Er wußte es selbst nicht – aber Tante Toni kam&comma; und er streckte ihr wie um Hilfe flehend die Arme entgegen&comma; er hing sich an ihren Hals und rief schluchzend&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„O mein Vater&comma; mein lieber&comma; armer Vater&comma; was wird ihm geschehen&quest; Ach&comma; Tante&comma; sag' mir doch&comma; was kann man ihm denn antun&quest; Wird er nun wirklich ins – ins Gefängnis kommen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da war es heraus&comma; das schreckliche Wort&excl; Es schauderte Otto&comma; während er es aussprach&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Nein&comma; nein&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; beschwichtigte ihn Tante Toni&comma; „davon ist keine Rede&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wie&excl; Kann er denn doch noch seine Unschuld beweisen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; Otto jubelte beinah' auf&comma; aber Tante Toni schüttelte traurig den Kopf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Du bist noch zu jung&comma; Otto&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; sagte sie&semi; „ich kann dir die Sache nicht genau erklären&period; Es gibt unehrenhafte Handlungen&comma; für die man nicht ins Gefängnis kommt&comma; aber der sie begangen hat&comma; steht deshalb doch entehrt&comma; gebrandmarkt vor der ganzen Menschheit da&period; Deinem Vater wirft man vor&comma; das Vertrauen anderer mißbraucht und zu seinem eigenen Vorteil ausgebeutet zu haben – und obwohl es keinen redlicheren&comma; selbstloseren Menschen geben kann wie ihn&comma; so haben sich doch Leute gefunden&comma; die solchen Anschuldigungen Glauben schenken&period; Gerade in der letzten Zeit sind seine Gegner besonders kühn aufgetreten&comma; weil derjenige&comma; der für deinen Vater hätte zeugen können&comma; gestorben ist&period; Sie wußten nicht&comma; daß er ein Schriftstück hinterlassen hat&comma; welches nicht nur alle Verdächtigungen zunichte macht&comma; sondern auch ein helles Licht auf die lautere Gesinnung und edle Handlungsweise deines Vaters wirft&period; Dieses Schriftstück nun ist es&comma; welches dein Vater&comma; als er vor einigen Tagen so plötzlich verreiste&comma; als wichtigstes Beweisstück herbeigeholt hat und das nun verschwunden ist&period; Dieses Schriftstück&comma; morgen in der öffentlichen Gerichtsverhandlung vorgelesen&comma; hätte ihn vor allen Menschen gerechtfertigt&comma; hätte seinen Verleumdern eine große Niederlage bereitet – und nun ist es verschwunden&comma; und es ist nicht zu ersetzen&period; Aber trotzdem wollen wir hoffen&comma; daß die Verhandlung morgen zu deines Vaters Gunsten ausfällt&period; Die guten Menschen wenigstens werden an ihn glauben&period; Und nun&comma; liebes Kind&comma; lege dich hin und schlafe&period; Wir können nichts mehr tun&comma; als die Sache dem lieben Gott überlassen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Tante Toni blieb noch an Ottos Bett sitzen&comma; bis er eingeschlafen war&period; Erst als sie sich überzeugt hatte&comma; daß er wirklich schlief&comma; stand sie leise auf und ging hinunter&period; Auf der Treppe aber blieb sie lauschend stehen&semi; war es ihr doch&comma; als hätte sie leises Weinen gehört&period; Richtig&comma; es kam aus Lillys Zimmer&excl; Rasch kehrte die Tante zurück&comma; und sie fand wirklich die arme kleine Lilly bitterlich schluchzend in ihrem Bettchen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber was hast du denn&comma; Lillchen&quest; Was fehlt dir&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Kleine konnte kaum antworten vor Schluchzen&colon; „Der Papa ist nicht – an mein Bett gekommen – um mir ‚Gute Nacht&OpenCurlyQuote; zu sagen – und es hat niemand mit mir gebetet – und ich hab' gehört&comma; wie der Otto hier neben geweint hat – und ich war ganz allein – und ich bin so traurig – und &period;&period;&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Und Lilly brach von neuem in bitterliches Weinen aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Tante Toni nahm das Kind auf den Schoß&comma; tröstete es&comma; wiegte es in den Armen wie ein ganz Kleines&comma; und als Lilly etwas ruhiger geworden war&comma; fragte sie&colon; „Wollen wir nun das Abendgebet zusammen beten&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Lilly nickte&comma; und sich an die Tante anschmiegend&comma; faltete sie die Händchen&period; Nach dem Gebet ließ sie sich auch gehorsam wieder ins Bettchen legen&comma; aber als Tante Toni sich neben sie setzte mit dem Versprechen&comma; bei ihr zu bleiben&comma; bis sie schliefe&comma; da schüttelte Lilly traurig das Köpfchen&colon; „Wenn der Papa nicht erst zu mir kommt&comma; dann kann ich doch nicht schlafen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da ging Tante Toni hinunter&comma; und sie sagte&colon; „Lilly kann nicht schlafen&comma; weil Papa ihr nicht ‚Gute Nacht&OpenCurlyQuote; gesagt hat&period; Klein Lilly hat ihren Vater so lieb&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Da hob der gebeugte Mann das Haupt&comma; und es ging wie ein heller Schein über sein Gesicht – aber gleich zuckte es darin wieder wie tiefes Weh&comma; und er sagte&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Arme kleine Lilly&comma; arme Kinderchen – es ist ja für sie&comma; daß ich meinen Namen rein und unbefleckt erhalten möchte&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann ging er hinauf und nahm Tante Tonis Platz an Lillys Bettchen ein&period; Obwohl er sein Töchterchen anlächelte&comma; sah dieses doch&comma; daß er Kummer hatte&period; Es küßte des Vaters Hand und streichelte sie zärtlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Sei nicht traurig&comma; Papa – ich hab' dich ja so lieb&comma; so lieb&excl; – Ich will auch ein recht braves Kind werden – ich hab' es der Tante Toni schon versprochen&period; Die Tante Toni hab' ich auch sehr lieb&period;&period;&period;&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das sollst du auch&comma; mein Kindchen&semi; und nun mußt du schlafen&period; Gute Nacht&comma; mein Töchterchen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gute Nacht&comma; lieber Papa – lieber – guter – Papa&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und leise&comma; leise fielen Lillys müdgeweinte Äuglein zu&semi; sie schluchzte noch einmal auf&comma; wie Kinder oft nach heftigem Weinen tun&comma; und dann schlief sie sanft und fest ein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Bald darauf war alles im Hause still&comma; nur Herr Mehring und seine Schwester waren noch auf&comma; sie saßen beisammen im Arbeitszimmer&period; Herr Mehring saß am Schreibtisch und schrieb Notizen auf&semi; Tante Toni saß etwas abseits&comma; sie hielt die Hände auf den Knien gefaltet&comma; und sie lauschte dem Wind&comma; der an den Fensterläden rüttelte&period; Als Herr Mehring von seiner Arbeit aufschaute&comma; begegnete er dem sorgenvollen&comma; fragenden Blick seiner Schwester&period; Er sagte mit einem schmerzlichen Seufzer&colon; „Wenn ich wenigstens noch etwas Zeit vor mir hätte – dann könnte ich vielleicht noch einige Zeugnisse herbeischaffen – aber bis morgen ist es unmöglich&period; O Toni&comma; ich sehe der Verhandlung mit schweren Besorgnissen entgegen&period; Ich war meiner Sache so sicher – und nun &period;&period;&period;&OpenCurlyDoubleQuote; Der schwergeprüfte Mann ließ den Kopf auf die Brust sinken&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Tante Tonis Augen füllten sich mit Tränen&comma; als sie ihren sonst so tatkräftigen&comma; mutigen Bruder jetzt so niedergebeugt sah&period; „Verzage doch nicht&comma; Robert&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; sagte sie&comma; „der liebe Gott läßt dich nicht im Stich&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Mehring lächelte wehmütig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber der liebe Gott wird wohl kaum ein Wunder für mich tun&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Und warum nicht&comma; du Kleingläubiger&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Tante Toni eifrig aus&period; „Was ist denn ein Wunder für ihn&comma; den Allmächtigen&excl; Aber Gott kann auch helfen ohne Wunder&period; Er ist ja allweise&comma; und wir sind arme&comma; kurzsichtige Menschenkinder&comma; wir sorgen und quälen uns ab&comma; statt ganz auf ihn zu vertrauen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Du hast recht&comma; Toni&comma; liebe Schwester&comma; Gott kann alles zum Guten wenden&comma; und ist es sein Wille&comma; daß ich morgen vor den Menschen gedemütigt und in den Staub gezogen werde&comma; so geschehe sein heiliger Wille&semi; er wird mir's tragen helfen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Dann herrschte wieder Stille und Schweigen im Zimmer&period; Draußen aber war der Wind zum Sturm geworden&period; Der wütete im Garten&comma; schüttelte und beugte die Bäume und peitschte den Regen gegen die Fenster&comma; daß es prasselte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Welch ein Wetter&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Tante Toni halblaut&comma; als eben ein besonders heftiger Windstoß einherfuhr&comma; als ob er alles mit sich fortreißen wollte&period; Plötzlich fuhr sie zusammen&comma; und auch Herr Mehring sprang von seinem Stuhl auf&period; Laut und schrill tönte es durchs Haus – die Türglocke&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Was mag das sein&quest; Wer mag so spät noch kommen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Die Mädchen schlafen schon&comma; ich werde selbst nachsehen&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; sagte Herr Mehring&semi; aber Tante Toni ging mit ihrem Bruder hinunter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wer ist da&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; fragte dieser&comma; ehe er die Haustüre öffnete&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ich bin's&comma; Herr&comma; ich&comma; der Christian&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; tönte es von draußen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Wie&comma; Christian&comma; Sie kommen noch so spät und bei diesem Wetter&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Herr Mehring&comma; die Tür öffnend&period; „Was gibt es denn&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Huh&comma; ja&comma; das is e Wetter&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; sagte Christian eintretend und sich die Füße abputzend&comma; während ihm das Wasser von Hut und Mantel niederrann&period; „Und ich muß recht um Entschuldigung bitten&comma; daß ich Ihne noch so spät stör&comma; Herr Mehring&comma; aber sehn Se&comma; die alt Babett hat mer ja kei Ruh gelassen&comma; sie hat sich's halt in ihrn eigensinnige Kopp neingesetzt gehabt&comma; Sie müßte das Papier da&comma; wo se in ihrm Korb gefunde hat&comma; wie se diesen Abend heimkomme is&comma; noch heut zurückkriege&comma; und wenn emal die Babett sich was in ihrn alte Kopp gesetzt hat &period;&period;&period; Aber um Gottes wille&comma; Herr Mehring&comma; was is Ihne dann&quest; Was hab' ich denn jetzt angestellt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Herr Mehring hatte nämlich dem Alten&comma; während dieser sprach&comma; das Papier aus der Hand genommen&comma; und kaum hatte er einen Blick hineingeworfen&comma; da hatte er einen Schrei ausgestoßen und war zurückgetaumelt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Was ist dir&comma; Robert&comma; was ist&quest;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Tante Toni erschrocken aus&period; Herr Mehring legte den Arm um sie&comma; und den Kopf an ihre Schulter lehnend&comma; sagte er mit von Tränen erstickter Stimme&colon; „O Toni&comma; der liebe Gott hat geholfen&comma; ohne ein Wunder zu brauchen – es ist das Schriftstück&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gott sei Dank&comma; Gott sei Dank&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief Tante Toni lachend und weinend zugleich&period; „Siehst du&comma; ich wußt' es ja&comma; daß der liebe Gott uns nicht im Stich lassen würde&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Die alt Babett hat am End doch recht gehabt&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; dachte der Christian&comma; und er kratzte sich hinter dem Ohr&comma; was er gewöhnlich tat&comma; wenn er verlegen oder nachdenklich war&period; Aber man ließ ihm nicht viel Zeit zum Nachdenken&semi; Herr Mehring und seine Schwester nötigten ihn ins Zimmer&comma; und während Tante Toni ihm ein Glas Wein einschenkte&comma; sagte Herr Mehring&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Aber nun&comma; Christian&comma; sagen Sie mir doch&comma; wie Sie&comma; oder vielmehr wie Babett zu diesem Papier kommt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja sehn Se&comma; Herr&comma; des war halt so&colon; Die Babett is ja diesen Nachmittag hier gewese&comma; um den Lappekorb abzuhole&comma; wie se's halt immer zweimal im Monat tut&period; Wie se nun mit ihrm Korb fortgehn wollt&comma; da is se da im Garte&comma; grad vorm Haus ausgerutscht und wär beinah hingefalle&comma; und sie hat in ihrm Schrecke laut geschriee – da is obe e Fenster aufgerisse worde und es sind allerhand Papiere rausgefloge&comma; und gleich drauf is der Herr Otto gelaufe komme&comma; um die Papiere wieder aufzulese&comma; und wie em die Babett dabei geholfe hat&comma; da hat er gesagt&comma; sie sollt nur recht achtgebe&comma; denn es wärn gar wichtige Papiere&period; Aber die Babett hat gar nit gemerkt&comma; daß eins von dene Papiere in ihrn Korb gefalle is&comma; und des hat se erst gefunde&comma; wie se vorm Schlafegehn ihrn Korb ausgeleert hat&comma; und da hat se mich gerufe&semi; ich hab aber schon mit eim Aug geschlafe&comma; und wie ich halt nit gleich raus gewollt hab&comma; da hat se angefange und hat auf mei Tür gekloppt mit ihre zwei Fäust&comma; und die sin noch recht kräftig für so e alte Frau&comma; denn sie hat Ihne en Spekeltakel aufgeführt&comma; wie wann se die ganz Stadt hätt aufwecke wolle&period; Und wie ich ihr dann zugeredt hab und gesagt&comma; des tät sich doch nit schicke&comma; daß ich jetzt wege so eme lumpige Papier die Leut noch aus em Schlaf störe sollt&comma; da hat se immer wieder gesagt&comma; des wär e wichtig Papier&comma; der Herr Otto wär ganz blaß gewese&comma; wie er runtergelaufe wär&comma; und des Papier müßt diesen Abend noch zu Ihne gebracht werde&comma; und wenn ich nit gehn wollt&comma; dann tät sie halt selber gehn&period; No so bin ich halt komme&comma; und wenn Se erlaube&comma; Herr Mehring&comma; so trink ich jetzt auf Ihr Wohl und aufs Wohl vom Fräule Toniche&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Er leerte sein Glas&comma; stellte es auf den Tisch und fuhr sich mit dem Ärmel über den Mund&period; Er machte große Augen&comma; als Herr Mehring ihm so herzlich dankte und ihm erklärte&comma; welch großen Dienst er ihm durch Überbringung des Schriftstückes geleistet hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Na&comma; da freu' ich mich aber&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er beim Abschiednehmen&comma; „und morge&comma; da werd' ich auch dabei sein&comma; um die Gesichter von dene miserable Lügner zu sehn&period; Na&comma; aber so was&excl; Wenn ich noch dran denk&comma; was Sie für e lieber&comma; wilder Bub warn&comma; früher&comma; wie ich noch Gärtner bei Ihne Ihre Eltern war&comma; Herr Robert&comma; und wie Sie mal von der Frau Mama eine übergezoge kriegt habe&comma; weil Se mer in mei frischgepflanzte Beete gesprunge sin&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und im Fortgehen murmelte er vor sich hin&colon; „Ja&comma; ja&comma; wenn mer halt noch emal jung sein könnt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Otto am andern Morgen aufwachte&comma; fiel sein erster Blick auf Tante Toni&comma; die schon an seinem Bette saß&period; Er war erst ganz erstaunt und rieb sich die Augen&comma; aber gleich legte es sich wieder wie eine Zentnerlast auf sein Herz&period; Wie hatte er nur so gut schlafen können nach dem&comma; was gestern passiert war&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>„O Tante&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er aus&comma; „Tante&comma; es ist ja heute – heute &period;&period;&period;&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber die Tante lächelte und sagte mit bewegter Stimme&colon; „Otto&comma; knie dich gleich nieder und danke dem lieben Gott aus ganzem Herzen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das Papier&comma; Tante&comma; das Papier – ist gefunden&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Tante nickte&period; „Erst beten&comma; Otto&comma; dann erzähl' ich dir&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein warmes&comma; aufrichtiges Dankgebet stieg aus des Knaben Herzen zum Himmel hinauf&comma; dann aber lauschte Otto gespannt dem Bericht der Tante&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Die gute Babett&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; rief er am Schluß der Erzählung aus&period; „Heute noch gehen wir zu ihr&comma; gelt&comma; Tante&excl; Ich will sie jetzt gerne um Verzeihung bitten wegen neulich – du weißt ja&comma; Tante –&comma; und die Lilly nehmen wir auch mit&period; O Tante&comma; es schaudert mich&comma; wenn ich daran denke&comma; wie leicht Babett das Papier hätte verlieren oder als wertlos zerreißen können&semi; oder wenn sie es gar nicht bemerkt hätte&comma; dann wäre es mit all ihren andern Lappen zusammen in den Sack des Lumpensammlers gekommen&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Das hätte allerdings sehr leicht geschehen können&semi; aber der liebe Gott hat unser Gebet erhört&comma; und er hat es nicht zugelassen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ach&comma; Tante&comma; wenn ich doch nur heute nicht in die Schule gehen müßte&excl; Ich werde doch nicht achtgeben können&comma; ich muß ja doch immer an Papa denken&period; Nicht wahr&comma; jetzt muß es doch gut für ihn ausgehen&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gewiß&comma; Kind&comma; du kannst ganz ruhig sein&comma; und du mußt dir alle Mühe geben&comma; heute in der Schule ganz besonders aufmerksam zu sein&period; Du mußt sofort beginnen&comma; die guten Vorsätze&comma; die du gestern gefaßt hast&comma; auszuführen&semi; nur nicht gleich anfangen zu verschieben&comma; denn dann wird nichts daraus&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Das war ein denkwürdiger Tag&semi; Otto vergaß ihn nie mehr in seinem Leben&period; Als er von der Schule heimkam&comma; fand er Haus und Garten voller Menschen&period; Sein Vater stand oben auf dem Balkon&comma; umgeben von seinen Schwägern und einigen Freunden&comma; und er richtete von dort aus einige warme Dankesworte an alle&comma; die gekommen waren&comma; um ihn zu beglückwünschen und ihm ihre Teilnahme zu bezeigen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Unser Mehring soll leben – hoch&comma; hoch&comma; hoch&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; so riefen alle Anwesenden&comma; und am lautesten schrie der alte Christian&period; Der kam sich überhaupt gar wichtig vor&semi; Herr Mehring hatte ihm vor allen Zuschauern die Hand geschüttelt&comma; und er sah sich nun bald von Neugierigen umringt&comma; die ihn über den Verlauf der Gerichtsverhandlung ausfragten&semi; denn Christian hatte derselben von Anfang bis zum Schluß beigewohnt&comma; und er ließ sich auch nicht lange bitten&comma; es machte ihm selbst ja ein großes Vergnügen zu erzählen&comma; wie alles so prächtig gegangen&comma; wie die Verleumder in die Enge getrieben worden seien und was sie für verdutzte und wütende Gesichter gemacht&comma; als das Schriftstück verlesen wurde&comma; von dessen Vorhandensein sie gar keine Ahnung gehabt hatten und welches auf Herrn Mehrings Charakter und Handlungsweise ein so helles Licht warf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ottos Herz hüpfte ordentlich vor Freude&period; Er war so stolz auf seinen lieben&comma; herrlichen Vater&comma; und als ein alter Mann ihm auf die Schulter klopfte und ausrief&colon; „Bub&comma; Männer wie dein Vater sind ein Segen fürs Volk und fürs Vaterland&semi; sieh zu&comma; daß du ihm nacheiferst&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; da streckte Otto diesem die Hand hin und sagte&colon; „Das will ich – hier meine Hand drauf&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Am Abend&comma; als alle Gäste fort waren&comma; rief Herr Mehring seinen Sohn zu sich&period; Er sah ihn eine Zeitlang ernst und forschend an&semi; endlich sagte er&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Otto&comma; ich möchte&comma; daß du mir das Versprechen&comma; welches du mir gestern in der Not und in der Angst gegeben hast&comma; heute frei von diesen Gefühlen und wohlbedacht erneuerst&period; Ist es dir wirklich Ernst mit deinem Vorsatz&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Otto sah seinem Vater freimütig in die Augen&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>„Ja&comma; Vater&comma; es ist mir Ernst&comma; und ich will tun&comma; was mir möglich ist&comma; um dir Freude zu machen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Gott segne dich&comma; mein Sohn&comma; und er helfe dir&semi; denn es ist nicht so leicht&comma; wie du dir's jetzt denkst&period; Die Erinnerung an die eben überstandene schwere Prüfung wird sich mit der Zeit abschwächen&comma; du wirst schwache Stunden haben und vielleicht manchmal in die alten Fehler zurückfallen&period; Laß dich dadurch nur ja nicht entmutigen&comma; sondern bleibe beharrlich&semi; es wird&comma; es muß gehen mit Gottes Hilfe&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Otto bemühte sich redlich&comma; sein Versprechen zu halten&period; Er nahm es nun auch sehr ernst mit der Vorbereitung auf die erste heilige Kommunion&comma; und Lilly konnte sich gar nicht genug wundern über diese Umwandlung ihres Bruders&period;<&sol;p>&NewLine;<p>„Du bist ja auf einmal ganz anders geworden wie früher&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; sagte sie&comma; ihn mit großen&comma; verwunderten Augen ansehend&period; „Du bist gar nicht mehr grob&comma; du neckst und ärgerst mich nicht mehr&comma; und du hast dem Rudi sogar deinen Drachen geschenkt&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>Nach einigem Nachdenken fügte sie hinzu&colon; „Muß ich auch so brav werden nächstes Jahr&comma; wenn ich zur ersten heiligen Kommunion gehe&quest;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„Natürlich&comma; Lilly&comma; noch viel bräver&comma; und deshalb tätest du gut daran&comma; wenn du jetzt gleich anfingest etwas bräver zu werden&period; Du solltest dir zum Beispiel vornehmen&comma; nie mehr zu lügen&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O&comma; ich lüge ja gar nicht&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„So&quest; Ist das vielleicht nicht lügen&comma; wenn man eine Wasserflasche zerbricht und hernach behauptet&comma; man hätte sie gar nicht angerührt&comma; und wenn man über ein Gitter klettert und sich dabei das Kleid zerreißt und man sagt&comma; die andern Kinder hätten beim Spielen so gezerrt&comma; daß das Kleid kaput gegangen sei&quest; O Lilly&comma; es ist so abscheulich&comma; wenn man lügt&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O du&comma; als ob du nie gelogen hättest&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Und Lilly machte ein finsteres&comma; trotziges Gesicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Otto wurde ganz rot und wollte zornig auffahren&comma; aber er bezwang sich&comma; und er sagte einfach&colon; „Ja&comma; ich weiß es&comma; Lilly&comma; ich hab' früher auch gelogen&semi; aber jetzt schäm' ich mich darüber&comma; und ich werde es nie&comma; nie mehr tun&period; Komm&comma; Lilly&comma; willst du lieb sein und mir eine Freude machen&quest; Dann versprich mir&comma; daß du von nun an nie mehr lügst&period;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>&NewLine;<p>„O du&comma; versprechen&excl; – Das muß ich mir erst noch überlegen&period; Ich bin ja auch noch kleiner und jünger wie du&excl;&OpenCurlyDoubleQuote; Damit sprang Lilly davon&period; Sie fand es ja wohl sehr angenehm und bequem&comma; einen so braven Bruder zu haben&comma; der stets bereit war nachzugeben&comma; der ihr bei den Aufgaben half&semi; aber sich von ihm schulmeistern oder ermahnen zu lassen&comma; das gefiel ihr nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Otto schüttelte enttäuscht den Kopf&period; „Sie versteht es noch nicht&OpenCurlyDoubleQuote;&comma; tröstete er sich&semi; „sie hat eben noch nicht so etwas Schreckliches durchgemacht wie ich&excl;&OpenCurlyDoubleQuote;<&sol;p>

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