Kinderbücher
Wunderbare Geschichten für Kinder zum Lesen & Vorlesen.

Der Trotzkopf
(Emmy von Rhoden, 1885, empfohlenes Alter: 10 - 12 Jahre)

Kapitel 16

<p>Im Flug entführte der Dampfwagen Ilse dem Orte&comma; den sie unter so verschiedenartigen Gefühlen betreten und wieder verlassen hatte&period; Reichlich flossen ihre Thränen&period; Sie hielt das Tuch gegen die Augen gedrückt und die liebliche Gegend&comma; an der sie vorüberfuhr&comma; die Berge&comma; die ihr vertraute Bekannte geworden&comma; erhielten keinen Abschiedsgruß von ihr&period; Ein Sonnenstrahl stahl sich zum Fenster hinein&comma; fiel auf ihr lockiges Haar und färbte es golden&comma; aber Trost in ihrem Kummer vermochte er ihr nicht zu bringen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Dame sah teilnehmend auf die Weinende&comma; aber sie störte sie nicht in ihrem Schmerze&period; Erst als sie bemerkte&comma; daß Ilse ruhiger wurde&comma; knüpfte sie ein Gespräch mit ihr an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich verstehe Ihren Kummer wohl&comma; liebes Kind&comma;« sagte sie herzlich&comma; »und kann Ihnen nachempfinden&comma; wie Ihnen um das Herz ist&period; So ein Abschied von der Pension ist ein wichtiger Abschnitt&comma; es thut weh&comma; von den Freundinnen scheiden zu müssen&comma; die man lieb gewonnen hat&comma; – aber Kind&comma; so gar trostlos müssen Sie das alles nicht ansehen&period; Die Trennung ist ja nicht für das ganze Leben&comma; die Freundinnen werden Sie in Ihrer Heimat besuchen&period; Es ist wohl schön in Ihrer Heimat&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Das war eine Frage zur rechten Zeit&period; Ilses Kinderaugen lachten noch unter Thränen die Fragerin an&period; Sie fing an&comma; lebhaft zu erzählen&comma; ihre Gedanken kehrten in das Elternhaus zurück&comma; und zum erstenmale dachte sie seit längerer Zeit mit ungetrübter Sehnsucht an dasselbe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie werden Sie sich freuen&comma; die Eltern wiederzusehen&excl;« fuhr die Dame fort&comma; die großes Wohlgefallen an dem jungen Mädchen fand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O sehr&comma; sehr&excl;« entgegnete Ilse&comma; »und besonders freue ich mich auf den kleinen Bruder&comma; den ich noch gar nicht kenne&excl; Ich habe sein Bild bei mir&comma; darf ich es Ihnen zeigen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Emmy-von-Rhoden&sol;Der-Trotzkopf&sol;019&period;jpg&quest;m&equals;1382220675&" alt&equals;"" width&equals;"700" height&equals;"546"><&sol;p>&NewLine;<p>Sie nahm eine Ledertasche von oben herab&comma; öffnete dieselbe und nahm ein Album daraus hervor&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist er&excl;« sagte sie und zeigte mit Stolz auf einen kleinen&comma; dicken Buben&comma; der im Hemdchen photographiert war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ein schönes Kind&excl;« bewunderte die Dame&comma; »und ist das Ihre Mama&comma; die den Kleinen auf dem Schoße hält&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse bejahte&period; »Hier ist mein Papa&comma;« fuhr sie fort und holte sein Bild aus dem Saffiantäschchen&period; Was war natürlicher&comma; als daß sie bei dieser Gelegenheit erzählte&comma; daß ihr das Bild zum Erkennungszeichen dienen solle&comma; wenn Gontraus sie empfangen würden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gontrau&quest;« fragte die alte Dame&comma; »Landrat Gontrau&quest; Das sind ja liebe Bekannte von mir&period; Mein Mann&comma; Sanitätsrat Lange&comma; ist seit langen Jahren Arzt in ihrem Hause&excl; Wir wohnen in L&period;&comma; das ist die nächste Station von Lindenhof&period; Wie sich das wunderbar trifft&excl; Nun stecken Sie das Bild Ihres Papas nur getrost ein&comma; wir haben es nicht mehr nötig&semi; jetzt werde ich Sie meinen Freunden zuführen&excl; So viel Zeit habe ich bei meinem kurzen Aufenthalte&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse war sehr erfreut über diesen wunderbaren Zufall&comma; und im Geplauder mit der liebenswürdigen&comma; feingebildeten Frau Rat verging ihr die Zeit mit Windesschnelle&period; Sie war ganz erstaunt&comma; als der Schaffner das Koupee öffnete und hineinrief&colon; »Station M&period;&excl; Sie müssen aussteigen&comma; meine Damen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Schon&excl;« rief Ilse und griff nach ihren Sachen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Rat hatte sich auch erhoben und suchte ihr Handgepäck zusammen&period; Es geschah alles mit ängstlicher Hast&comma; ihre Hände zitterten etwas in nervöser Aufregung&period; Eine Ledertasche&comma; die sie von oben herabnahm&comma; entfiel ihrer Hand&period; Das Schloß an derselben sprang auf und verschiedene kleine Gegenstände kollerten auf den Boden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O Gott&excl;« rief sie erschrocken&comma; »was habe ich da gemacht&excl;« – Sie wollte sich bücken und ließ eine Schachtel dabei fallen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bitte&comma; lassen Sie mich alles besorgen&excl;« beruhigte sie Ilse&period; Schnell hatte sie alles aufgesucht und wieder in die Tasche gethan&period; Das Portemonnaie der Frau Rat&comma; das sich ebenfalls unter den herausgefallenen Dingen befand&comma; steckte sie tief hinein in die Tasche&comma; verschloß dieselbe vorsichtig und gab sie der geängsteten Dame in die Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma;« sagte sie&comma; »nehmen Sie das an sich&comma; für Ihre übrigen Sachen werde ich Sorge tragen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie legte sämtliches Handgepäck zusammen auf den Sitz&comma; stieg dann hinaus&comma; ließ sich dasselbe von der Dame zureichen&comma; übergab es einem bereitstehenden Packträger und half endlich der Frau Rat vorsichtig die hohen Stufen hinabsteigen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Danke&comma; danke&comma; liebes Kind&comma;« sagte diese&period; »Wie umsichtig und verständig Sie alles besorgen&excl; Ich hätte das bei Ihrer Jugend kaum erwartet&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse wunderte sich selbst darüber&comma; wer weiß aber&comma; ob ihre Selbständigkeit sich so plötzlich entwickelt hätte&comma; wenn die hilflose Art und Weise ihrer Begleiterin dieselbe nicht herausgefordert hätte&period; – Ganz stolz hob sie den Kopf bei diesem Lobe und wünschte&colon; wenn Fräulein Güssow doch gleich dasselbe hören könnte&excl; Sie hatte so große Besorgnisse gehabt&comma; und jetzt war sie Beschützerin&comma; anstatt daß sie beschützt wurde&excl; – Es war wirklich ein recht erhebendes Gefühl für sie&comma; leider nicht von langer Dauer&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie mit Frau Rat langsam dem Stationsgebäude zuschritt&comma; hörte sie laute Zurufe aus einem Koupee des noch haltenden Zuges&period; Ein flüchtiger Blick und sie hatte sofort die Studenten erkannt&period; Ganz ängstlich ergriff sie den Arm der Dame&comma; denn in diesem Augenblick war all ihre frohe Sicherheit geschwunden und sie fühlte sich recht eines Schutzes bedürftig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Leb wohl – leb wohl – du süße Maid&excl; – Nur einen Abschiedsblick&comma; reizendes Lockenköpfchen&excl;« riefen die Uebermütigen&comma; und als der Zug schon im Weiterfahren war&comma; warf einer von ihnen ihr eine herrliche Rose zu&comma; sie fiel gerade zu ihren Füßen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse wandte sich ab&comma; sie wußte vor Scham und Verlegenheit nicht&comma; wohin sie den Blick wenden sollte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Kannten Sie die jungen Herren&quest;« fragte Frau Rat&period; –<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse verneinte und erzählte&comma; daß sie dieselben zum ersten Male bei ihrer Abreise gesehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; das ist lustiges Blut&excl;« meinte Frau Rat&period; »Die ganze Welt gehört ihnen und man darf es ihnen nicht übel nehmen&comma; wenn sie sich mehr herausnehmen als andre&period; – Wollen Sie die Rose nicht aufnehmen&comma; Kind&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse hatte wohl den Wunsch&comma; aber sie schüttelte doch den Kopf&period; »Ich darf nicht&comma;« sagte sie&comma; und Fräulein Güssows Worte&colon; »keine Aufmerksamkeit von einem Herrn anzunehmen&comma;« standen mahnend vor ihrer Seele&period; – Der Werfer fuhr freilich auf und davon und niemals hätte er erfahren&comma; ob sie die Rose nahm oder nicht&comma; – trotzdem schwankte sie nicht&comma; ihre Gewissenhaftigkeit und das eigne Bewußtsein waren die Wächter&comma; die sie zurückhielten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Rat verstand sofort Ilses Benehmen und freute sich über ihr Taktgefühl&period; »Sie haben recht&comma; Kind&comma;« sagte sie&comma; »und eigentlich beschämen Sie mich etwas&period; Aber ich dachte nicht gleich daran&comma; wer die Blume geworfen hat&period; Ich sah das herrliche Prachtexemplar im Staube liegen und es that mir leid um die unschuldige Rose&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nach einer Stunde Aufenthalt fuhren die Damen weiter&period; Ilse hatte die Zeit benützt&comma; eine Korrespondenzkarte an Fräulein Güssow zu schreiben&period; Als sie schrieb&comma; meldete sich der Abschiedsschmerz aufs neue&period; Es verwischten sogar einige Thränen die frische Schrift&semi; aber sie meldete&comma; daß ihr die Reise bis jetzt furchtbar schnell vergangen sei&comma; und Frau Rat wäre eine zu entzückende Frau&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Erwähnte dachte ungefähr ebenso von ihrer jungen Reisegefährtin&period; Sie hatte in der kurzen Zeit eine warme Zuneigung zu derselben gefaßt&period; Ilse war so ganz anders als all die jungen Mädchen ihrer Bekanntschaft&period; Sie verglich sie mit einem sprudelnden Waldquell&comma; dessen Wasserspiegel bis auf den klaren Grund sehen läßt&period; Wahr und offen und doch nicht geschwätzig&comma; natürlich und ohne jede Ziererei&period; Und doch&comma; wie hübsch war die Kleine&excl; – Frau Rat blickte mit innerer Freude in Ilses rosiges Gesicht&comma; in ihre braunen Augen&comma; die ein so getreuer Spiegel ihrer Seele waren&semi; die sie traurig und thränengefüllt&comma; fröhlich und schelmisch aufleuchten sah&comma; und deren dunkle Wimpern sich sittsam senkten&comma; als übermütige Studenten ihr huldigen wollten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun sind wir in wenigen Minuten in Lindenhof und müssen uns trennen&comma;« sagte Frau Rat&period; »Es thut mir von Herzen leid&comma; ich habe Sie sehr lieb gewonnen&period; Versprechen Sie mir fest&comma; mich zu besuchen&comma; wenn der Zufall Sie in die Nähe von L&period; führen sollte&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse versprach das gern und gestand&comma; daß auch ihr das Scheiden schwer werde&period; Frau Rat hätte so ›himmlisch‹ verstanden&comma; sie zu trösten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Da sind wir schon&excl;« rief Frau Rat und steckte den Kopf zum Fenster hinaus&comma; um sich nach Gontraus umzusehn&period; Sie waren nicht zu erblicken&period; Einige Bauernfrauen standen wartend mit ihren Tragkörben da&comma; sie wollten mit dem Zuge weiterfahren&comma; das war alles&period; – Ilse hatte auch hinausgeschaut und als sie niemand anwesend sah&comma; der sie erwartete&comma; wurde es ihr recht bange&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ach&excl;« seufzte sie&comma; »was fange ich nun an&excl; Ich bin ganz verlassen hier&excl; Lassen Sie mich mit Ihnen weiterfahren&comma; liebe Frau Rat&comma; und nehmen Sie mich für die eine Nacht auf&period; Bitte&comma; bitte&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie gern thäte ich das&comma; mein Kind&semi; aber das wäre gegen die Bestimmung Ihrer Eltern&period; Gontraus werden noch kommen&comma; auf jeden Fall&excl; Sie haben sich etwas verspätet&comma; Sie können es glauben&period; Was würden sie sagen&comma; wenn Fräulein Ilse davongeflogen wäre&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse seufzte schwer und stieg aus&period; Ihr Gepäck&comma; auch die Blumen&comma; die trotz des häufigen Besprengens mit frischem Wasser die Köpfchen traurig hängen ließen&comma; hatte sie aus dem Koupee gehoben&comma; – nun stand sie da und sah sich hilflos nach beiden Seiten um&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Machen Sie nicht ein so trostloses Gesicht&comma; liebes Kind&comma;« beruhigte die alte Dame&comma; »es wäre ja noch immer kein Unglück&comma; wenn Gontraus durch irgend ein Mißverständnis Sie heute nicht erwarteten&excl; In diesem Falle bestellen Sie einen Wagen im Stationsgebäude und fahren nach Lindenhof hinaus&period; In einer guten Stunde sind Sie dort&comma; und daß Sie bei den lieben Menschen mit offnen Armen empfangen werden&comma; dafür stehe ich ein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&excl; das thue ich nicht&excl; Das würde ich nicht wagen&excl;« rief Ilse ganz erschrocken&period; »Ich weiß ja gar nicht&comma; ob man mich haben will&excl; Ich kann doch nicht unbekannten Leuten in das Haus fallen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es leuchtete so etwas vom alten Trotze dabei aus ihren Augen und die Oberlippe kräuselte sich in verdächtiger Weise&period; Frau Rat lächelte über den jugendlichen Ungestüm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Man will Sie haben&comma; und fremde Leute sind es auch nicht&comma; zu denen Sie kommen&comma; kleine Ungeduldige&comma;« sprach sie scherzhaft&period; »Der Landrat ist ein sehr guter Freund Ihres Vaters&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse konnte sich nicht dabei beruhigen&comma; sie wurde sogar noch niedergeschlagener&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Frau Rat bemerkte&comma; daß sie nur noch fünf Minuten beisammen sein würden&comma; füllten sich ihre Augen mit Thränen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gehen Sie einmal schnell um das Gebäude&comma; dort können Sie die ganze Chaussee überblicken&comma; die nach dem Rittergute führt&period; Vielleicht sehen Sie den Wagen kommen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie that&comma; wie ihr geraten wurde&period; Im vollen Laufen öffnete sie das Saffiantäschchen und nahm Papas Bild heraus&period; »Es ist zwar doch vergeblich&comma;« dachte sie&comma; »aber ich will es für alle Fälle in die Hand nehmen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Emmy-von-Rhoden&sol;Der-Trotzkopf&sol;020&period;jpg&quest;m&equals;1382220715&" alt&equals;"" width&equals;"700" height&equals;"656"><&sol;p>&NewLine;<p>Kaum hatte sie sich entfernt&comma; kaum war sie links um das Haus gegangen&comma; als von der andern Seite desselben ein junger&comma; schlanker Mann mit leichtem&comma; elastischen Schritt eilig hervortrat&period; Sein Auge glitt suchend über den Perron&comma; dann ging er dicht an dem Zuge entlang und spähte forschend in jedes Koupee&period; Frau Rat hatte ihn sofort entdeckt und ihre Züge verklärten sich&comma; – der Suchende war niemand anders als der Sohn des Landrats&period; »Leo&excl; Leo&excl;« rief sie ihn an&comma; »komm&comma; schnell&excl; Wo sind deine Eltern&quest; Du suchst sie&comma; nicht wahr&quest; Ich bin mit ihr gefahren – sie ist ein reizendes&comma; junges Mädchen&excl; Frisch wie eine Waldblume&comma; sage ich dir&period; Dort ist sie um das Haus gegangen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was für eine Waldblume meinst du&comma; Tante Rat&quest;« fragte der junge Mann etwas erstaunt und sah mit seinen offenen&comma; klugen Augen die Angeredete&comma; die sehr schnell und mit lebhaften Gesten gesprochen hatte&comma; an&period; »Von wem sprichst du&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Von ihr – von ihr&excl;« rief sie zurück&period; »Von Ilse&comma; die ihr erwartet&comma;« wollte sie eigentlich sagen&comma; aber der Name fiel ihr im Augenblick nicht ein&semi; das betäubende Läuten der Glocke&comma; die das Zeichen zur Abfahrt gab&comma; machte sie nervös und verwirrte sie&comma; es kam noch hinzu&comma; daß der junge Mann ihren Worten wenig Aufmerksamkeit schenkte und immer auf dem Sprunge stand&comma; sie zu verlassen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich muß dich verlassen&comma; Tante&excl;« sagte er denn auch&comma; »ich muß mich nach einem Kinde umsehen&comma; das ich mit diesem Zuge erwarte –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie ist es&excl; Sie ist es&excl;« rief sie lebhaft&comma; aber er hörte ihre Worte nicht mehr&comma; sondern von neuem ging er suchend den Zug entlang&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Haben Sie ein allein reisendes Kind bemerkt – und ist dasselbe vielleicht hier ausgestiegen&quest;« fragte er einen Schaffner&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&excl;« antwortete dieser und schwang sich auf seinen hohen Sitz hinauf&comma; denn der Zug setzte sich langsam in Bewegung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Als Frau Rat an ihm vorüberfuhr&comma; rief sie ihm einige Worte zu&comma; leider vergeblich&comma; er verstand sie nicht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Assessor Gontrau blieb stehen&comma; etwas ratlos und nachdenklich&period; Der Oberamtmann Macket hatte seinen Vater gebeten&comma; daß er sofort bei Ilses Ankunft telegraphieren möge&comma; ob sie glücklich angekommen sei&period; Was sollte er jetzt thun&quest; Es blieb ihm nichts andres übrig&comma; als eine Depesche abzusenden mit den Worten&colon; »Nicht angekommen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Eben im Begriffe&comma; sich zu diesem Zwecke in das Bureau zu begeben&comma; fiel sein Blick auf einen Brief&comma; der auf der Erde dicht vor ihm lag&period; Er hob ihn auf und las die Aufschrift auf dem geöffneten Kouvert&period; Nicht wenig erstaunte er&comma; als er die Adresse las&colon; »Fräulein Ilse Macket&comma;« – sonderbar&excl; Der Schaffner und die Leute hier haben kein Kind aussteigen sehen und doch muß es angekommen sein&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wissen Sie nicht&comma; wer den Brief verloren hat&quest;« wandte er sich an eine Frau&comma; die einen kleinen Obststand in der Nähe hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gesehen habe ich es gerade nicht&comma;« meinte die&comma; »aber ein junges Fräulein mit Locken hat ihn gewiß mit aus der Tasche gezogen&period; Ich sah&comma; daß sie etwas herausnahm&period; Die dort war es&comma;« unterbrach sie sich plötzlich und zeigte auf Ilse&comma; die um das ganze Haus gegangen war und von der entgegengesetzten Seite gerade hervortrat&comma; als der Zug abfuhr&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ihre alte Freundin grüßte noch einmal zärtlich zum Fenster hinaus&comma; machte auch allerhand bedeutungsvolle Zeichen&comma; winkte nach der andern Seite zu Leo hinüber&comma; – Ilse verstand nichts von allem&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Höchst unglücklich stand sie da und blickte dem Zuge nach&comma; der ihre einzige Bekannte hier in die Ferne führte&period; »Nun bin ich verlassen&excl;« sprach sie für sich&comma; »was soll ich nun anfangen&excl;« Es war merkwürdig&comma; wie ihre mutige Sicherheit ein so schnelles Ende genommen hatte&period; – Wie recht hatte Fräulein Güssow mit ihrer Besorgnis&excl; Auf diesen Fall war sie gar nicht vorbereitet&excl; Was sollte sie nun beginnen&quest; Am liebsten hätte sie wie ein kleines Kind angefangen zu weinen&comma; sie schämte sich nur vor dem jungen&comma; blonden Postbeamten&comma; der zu einem Parterrefenster hinauslehnte und sie neugierig beobachtete&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aus ihrer peinlichen Ratlosigkeit schreckten sie plötzlich eilige Schritte auf und gleich darauf erfolgte die Anrede&colon; »Gnädiges Fräulein&comma; ich bitte um einen Augenblick&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse wandte den Kopf&comma; und als ihr Auge flüchtig die Gestalt eines jungen Mannes streifte&comma; erfaßte sie eine unnennbare Angst&period; Was wollte er von ihr – warum redete er sie an&quest; Sie verlor alle ruhige Fassung und nur der eine Gedanke beherrschte sie&colon; Du darfst ihn nicht anhören&excl; – Als ob sie nichts gehört habe&comma; ging sie weiter&comma; und als sie bemerkte&comma; daß sie verfolgt wurde&comma; beschleunigte sie ihre Schritte&period; Wie ihr das Herz klopfte vor Angst und Aufregung&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie haben etwas verloren&comma; gnädiges Fräulein&comma; wollen Sie nicht die Güte haben&comma; mir einen Augenblick Gehör zu schenken&excl;« rief er dringend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nun stand sie still&comma; aber sie wagte nicht&comma; sich nach ihm umzusehen&period; Er benützte schnell diesen Moment und trat vor sie hin&period; Mit einem leichten&comma; spöttischen Lächeln betrachtete er den kleinen Backfisch&comma; der so ängstlich und blöde vor ihm davonlief&period; Schon schwebte ihm eine etwas ironische Bemerkung auf den Lippen&comma; die er indes unterdrückte&comma; als er in das liebliche&comma; rosige Antlitz sah&period; Mit niedergeschlagenen Augen und in ängstlicher Verlegenheit stand sie vor ihm&period; – ›Wie eine Waldblume‹ hatte Tante Rat zu ihm gesagt&comma; jetzt wußte er&comma; wen sie damit gemeint&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich fand diesen Brief dort&comma;« sprach er&comma; »gehört er vielleicht Ihnen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ein flüchtiger Blick belehrte Ilse&comma; daß er den Brief ihres Papas in der Hand hielt&period; »Ja&comma;« sagte sie&comma; ziemlich beschämt über ihr albernes Davonlaufen&comma; »er gehört mir&period;« – Sie nahm ihn in Empfang&comma; ohne den jungen Mann anzusehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich danke Ihnen&comma;« fügte sie noch hinzu und wollte mit einer schüchternen Verbeugung weitergehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Und war die Adresse an Sie gerichtet&quest;« fragte er weiter&comma; so daß sie zögernd still stand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Doch bevor er noch ihre Antwort abwartete&comma; rief er plötzlich erfreut und lachend zugleich&colon; »Sie – Sie sind Fräulein Ilse Macket&excl; ich sehe die Photographie in Ihrer Hand&excl; Das ist ein wundervoller Spaß&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Erstaunt blickte Ilse ihn an&comma; und nun sah sie zum ersten Male in das hübsche&comma; von der Sonne etwas gebräunte Gesicht des jungen Gontrau&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Verzeihen Sie mein unschickliches Lachen&comma;« entschuldigte er sich&comma; »aber Sie werden dasselbe verstehen&comma; wenn ich Ihnen Aufklärung gegeben habe&period; – Zuvor erlauben Sie&comma; daß ich mich Ihnen vorstelle&comma; mein Name ist Gontrau&period;« – Er hob den weichen Filzhut ab und begrüßte sie in liebenswürdiger&comma; ehrerbietiger Weise&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Gontrau&excl;« rief Ilse strahlend vor Freude&comma; »ist’s wahr&comma; Gontrau&quest; Aber Sie sind doch nicht – doch nicht –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Der Landrat&quest;« ergänzte er ihre Frage&period; »Nein&comma; der bin ich nicht&comma; nur sein Sohn&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich war recht einfältig&comma; daß ich Ihnen davonlief&comma;« sprach sie errötend&comma; »aber ich wußte nicht&comma; wer Sie waren&semi; ich hielt Sie für einen fremden Herrn&comma; der mich ausfragen wollte&period; Ach&comma; Sie glauben nicht&comma; wie ich mich geängstigt habe&comma; als ich so ganz allein hier stand&excl; Wie ein verirrtes Kind kam ich mir vor&comma; das nicht weiß woher und wohin&period; Nun bin ich froh&comma; furchtbar froh&excl; Aber wo sind Ihre Eltern&quest;« plötzlich fiel es ihr ein&comma; daß dieselben nicht anwesend waren&period; »Bitte&comma; führen Sie mich zu ihnen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Leider konnten sie nicht die Freude haben&comma; Sie hier zu begrüßen&comma;« entgegnete Leo&comma; den ihr kindliches Geplauder geradezu entzückte&period; »Meinem Vater ist ein kleiner Unfall zugestoßen&period; In dem Augenblick&comma; als er den Wagen besteigen wollte&comma; um hierher zu fahren&comma; vertrat er sich den Fuß und zwar so böse&comma; daß er zurückbleiben mußte&period; Die Mutter konnte zu ihrem Kummer nun auch nicht fort&comma; sie mußte dem Vater behilflich sein&period; Dieser Unfall ist denn auch an meiner Verspätung schuld&comma; die ich von ganzem Herzen bedaure&comma; doppelt bedaure&comma; da sie Ihnen Sorge und Kummer bereitet hat&period; Mama hatte sich so darauf gefreut&comma; ›die Kleine‹ in Empfang nehmen zu können&excl; Ja&comma; ja&comma; ›die Kleine‹&comma;« wiederholte er und amüsierte sich über ihr verwundertes Gesicht&period; »Ihr Herr Papa trägt die Schuld an dem Irrtum&comma; in dem wir befangen waren&period; Er sprach in seinen Briefen nur von seiner ›Kleinen‹&comma; oder von ›seinem Kinde‹&comma; das er allein und schutzlos die weite Reise machen lassen müsse&comma; er fürchtete&comma; daß dem ›kleinen Mädchen‹&comma; das die Pension verließ&comma; etwas zustoßen könne&period; Natürlich erwarteten wir nun auch ein Kind&comma; so ein halberwachsenes Mädchen von zwölf&comma; höchstens dreizehn Jahren&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; aber der Papa&excl;« rief Ilse und lachte&comma; aber nicht so frisch und frei wie gewöhnlich&comma; es klang etwas gezwungen&period; Es war ihr nicht ganz angenehm&comma; daß der Papa noch eine so kindliche Meinung von ihr hatte&period; »Papa ist zu komisch&excl; Er hält mich noch immer für die halberwachsene Ilse&excl; Wie wird er sich wundern&comma; wenn er mich wiedersieht&excl; Mit siebzehn Jahren ist man kein Kind mehr&comma; nicht einmal ein Backfisch&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bewahre&excl;« stimmte der Assessor ihr bei&comma; »mit siebzehn Jahren ist ein junges Mädchen eine vollendete Dame&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Es kam halb wie leichter Spott heraus&comma; aber er machte ein ganz ernstes Gesicht und verzog keine Miene&period; So glaubte sie denn mit Stolz an die »vollendete« Dame&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Nur ihr Handgepäck nahm Ilse mit hinaus nach Lindenhof&comma; dasselbe war schon in dem Wagen untergebracht&comma; den Korb mit den Blumen stellte der Kutscher eben hinein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Die vielen Sträuße&excl;« bemerkte Leo Gontrau und diesmal lächelte er wirklich etwas&period; »Der Korb muß Ihnen doch eine Last gewesen sein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O nein&comma; nein&excl;« sprach sie eifrig dagegen&comma; »es sind ja lauter Abschiedsgrüße von meinen Freundinnen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So viele Freundinnen&excl;« meinte er und sah in den Korb&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es sind sieben Sträuße&comma;« belehrte ihn Ilse&comma; die nämlich glaubte&comma; er wolle dieselben zählen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie waren schön&comma;« meinte er&comma; »jetzt sind sie schon etwas welk&period; Nur dieser Rosenstrauß mit der Vergißmeinnichteinfassung ist noch frisch&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse ergriff denselben und beugte ihr Antlitz darauf&period; Eine augenblickliche Rührung überkam sie&comma; als sie der Geberin gedachte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe ihn von meiner liebsten Freundin&comma;« sagte sie innig – »von Nellie Grey&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nellie Grey&quest;« fragte er&period; »Wohl eine Engländerin&quest; Ist sie hübsch und liebenswürdig&quest;« setzte er scherzend hinzu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie ist reizend&excl;« rief Ilse und geriet förmlich in Feuer&comma; als sie von der Freundin erzählte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Er hörte ihr stillschweigend zu und amüsierte sich über die Begeisterung&comma; mit der sie lobte&comma; und besonders über die überschwenglichen Ausdrücke&comma; die dabei ihren Lippen entschlüpften&period; Sie wußte es gar nicht&comma; wie sehr sie sich Melanies Angewohnheit zu eigen gemacht hatte und wie Ausrufe&comma; als&colon; furchtbar reizend&excl; himmlisch&excl; entzückend&excl; süß&excl; u&period; s&period; w&period; u&period; s&period; w&period; ihr ebenso geläufig waren als Melanie und den übrigen Backfischen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollen Sie nicht erst im Bahnhofsgebäude eine kleine Erfrischung einnehmen&quest;« fragte Leo und bot ihr den Arm&comma; um sie dorthin zu führen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Dankend lehnte sie sein Anerbieten ab&comma; trotzdem sie es eigentlich gern angenommen hätte&period; Sie war nämlich hungrig und ihr Magen trug rechtes Verlangen nach einem kräftigen Imbiß&period; Eine vollendete Dame aber durfte den Hunger nicht merken lassen&comma; es wäre doch geradezu kindisch gewesen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist kühl&comma;« bemerkte er&comma; als er ihr in den Wagen geholfen&comma; »und mein Auftrag lautet&colon; Hülle ›das Kind‹ gut ein&comma; damit es sich nicht erkältet in der halboffenen Chaise&period;« Und er nahm ein warmes Tuch&comma; das schon bereit lag&comma; und wickelte sie fest darin ein&comma; auch eine Decke schlug er um ihre Füße&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie ließ es gern geschehen&comma; denn der Herbstwind pfiff kalt über die leeren Felder&semi; sie lachte sogar über seine Fürsorge&semi; aber hinterher kamen die Bedenken&period; War es recht&comma; daß sie sich von ihm einhüllen ließ&quest; War es nicht eine Vertraulichkeit&comma; die sie gestattet hatte&quest; Würde Fräulein Güssow ihr Benehmen schicklich finden&quest; Ob Nellie wohl so gehandelt haben würde&comma; wie sie&comma; oder ob sie nicht lieber ihren Regenmantel angezogen hätte&excl; Sie konnte es auch thun&comma; er lag im Riemen geschnallt dicht bei ihr&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Mitten in ihren peinlichen Zweifeln und Sorgen vernahm sie ein herzliches Lachen ihres Nachbars&period; Natürlich brachte sie es sofort mit ihren Gedanken in Verbindung&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Lachen Sie über mich&quest;« fragte sie beinahe ängstlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nein&excl;« entgegnete er&comma; »wie kommen Sie zu dieser Frage&quest; Wie würde ich mir je erlauben&comma; eine junge Dame auszulachen&excl; Diese Birne ist an meiner Heiterkeit schuld&period; Sie fiel mir soeben aus der Wagentasche auf die Hand und erinnerte mich an Mamas letztes Wort&comma; das sie mir nachrief&comma; als ich fortfuhr&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Was sagte sie&quest;« fragte Ilse und sah ihn neugierig an&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Vergiß ja nicht&comma; ›dem Kinde‹ die Birnen zu geben&comma; Leo&comma; sprach sie&period; Die Kleine wird wohl hungrig sein&period; Ich glaube&comma;« unterbrach er sich und griff in die Seitentasche&comma; »sie sprach auch von einem Stück Kuchen&period; Richtig&excl;« rief er lachend und zog ein kleines Paketchen hervor&comma; »da ist er&excl; Darf ich es wagen&comma; gnädiges Fräulein&comma; Ihnen Kuchen und Birnen anzubieten&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dieser Verlockung konnte sie nicht widerstehen&period; »Warum nicht&quest;« entgegnete sie unbefangen und griff zu&period; »Obst ist meine ganze Leidenschaft und Kuchen esse ich furchtbar gern&excl; In der Pension haben wir nicht viel davon zu sehen bekommen&comma; Fräulein Raimar behauptete&comma; der Magen werde schlecht vom vielen Kuchenessen&period; Ist das nicht eine furchtbar öde Ansicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; eine furchtbar öde Ansicht&excl;« wiederholte er mit ganz ernsthaftem Gesicht&comma; »ich begreife nicht&comma; wie Sie es aushalten konnten&comma; ohne Kuchen zu leben&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Manchmal&comma;« erzählte sie&comma; »ließen wir uns heimlich ein Stückchen holen&comma; über Mittag&comma; wenn das Fräulein schlief&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»So&comma; so&excl;« lachte er&comma; »das sind ja schöne Geschichten&comma; das muß ich sagen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wir thaten es nicht oft&comma;« entschuldigte sich Ilse&comma; »nur dann und wann&comma; wenn wir gar zu großen Appetit darauf hatten&period; Finden Sie das unrecht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Daß Sie den Kuchen aßen&comma; finde ich durchaus nicht unrecht&comma;« neckte er sie&comma; »aber daß Sie ihn heimlich holen ließen&comma; gefällt mir nicht&period; Warum fragten Sie nicht die Vorsteherin um Erlaubnis&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie sind aber klassisch&excl;« rief Ilse&comma; »dann hätten wir es doch nicht gedurft&excl; Es war doch nichts Böses&comma; was wir thaten&comma; nur ein ganz harmloses Vergnügen&comma; Fräulein Raimar hatte nicht den geringsten Schaden davon&comma; ob wir Kuchen aßen oder nicht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie sind eine kleine Rechtsverdreherin&excl;« tadelte er sie lachend&comma; »ob Schaden oder nicht&comma; darauf kommt es gar nicht an&period; Die Dame hatte ihre Gründe&comma; weshalb sie Ihnen den Genuß des Kuchens verbot&period; Nummer I&colon; Sie handelten gegen ihren Willen – folglich sind Sie strafbar&excl; Nummer II&colon; Sie thaten es heimlich – das erschwert das Vergehen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie lachte höchst vergnügt&period; »Herrgott&comma; sind Sie aber pedantisch&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich bin Jurist&comma; gnädiges Fräulein&comma; und gehe jeder Sache auf den Grund&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Jurist&excl;« wiederholte Ilse und sah ihren Nachbar etwas mißtrauisch an&period; »Das glaube ich nicht&excl; Sie sehen nicht so aus&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Warum nicht&quest; Haben die Juristen ein besonderes Aussehen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Diese Frage brachte sie etwas in Verlegenheit&period; Sie hätte ihm keine andre Antwort daraus geben können&comma; als daß die Juristen&comma; die öfters auf Moosdorf zu Gaste kamen&comma; ganz anders ausschauten&period; Es waren lustige Herren&comma; die gerne ein Glas Wein liebten&comma; aber jung und schön waren sie nicht&period; Sie sah ihn an und schüttelte ungläubig den Kopf&period; »Sie sind nicht Jurist&comma;« widerstritt sie&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun&comma; ich bin doch neugierig&comma; wofür Sie mich halten&comma;« fragte er höchst amüsiert&comma; »jetzt legen Sie eine Probe von Ihrer Menschenkenntnis ab&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie sind Künstler – vielleicht Musiker – oder Maler&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er lachte laut&period; »Musiker&excl;« rief er&comma; »ich ein Musiker&excl; Wenn Sie wüßten&comma; gnädiges Fräulein&comma; welch ein großes Wort Sie gelassen aussprachen&excl; Ich verstehe keine Note und bin so unmusikalisch wie ein Stock&excl; Es thut mir leid&comma; daß ich Ihre für mich so schmeichelhafte Illusion zerstören muß&comma; indes was kann es helfen&excl; Ich muß mich Ihnen leider als ein ganz gewöhnliches Menschenkind vorstellen&comma; das weder Maler noch Musiker ist&period; Trotz Ihres Zweifels bin ich Jurist und seit vier Wochen Assessor&period; Sind Sie nun überzeugt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Also kein Künstler&comma; ach&comma; wie schade&excl;« sprach Ilse bedauernd&period; »Es müssen doch reizende Menschen sein&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nicht immer&comma;« wollte er sagen&comma; doch that er es nicht&period; Warum ihre naiven Anschauungen zerstören&quest; Sie war noch so jung und sah so gläubig aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sehen Sie dort die Kirchturmspitze&quest;« brach er das Gespräch ab&comma; »die Wetterfahne darauf glänzt hell im Mondenscheine&comma; das ist die Kirche von Lindenhof&excl; In zehn Minuten sind wir dort&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als der Wagen vor dem Portale des Hauses hielt&comma; trat Frau Gontrau schnell auf denselben zu&comma; um ihren kleinen Gast in Empfang zu nehmen&period; Als das erwachsene Mädchen dafür ausstieg und Leo den Irrtum erklärte&comma; nahm sie dasselbe lachend in den Arm&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ob groß&comma; ob klein&comma;« sagte sie mit Wärme&comma; »Sie sind mir von Herzen willkommen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Und sie führte Ilse in das Speisezimmer&comma; in welchem sich der Landrat befand&period; Er saß in halbliegender Stellung auf dem Sofa und streckte dem jungen Mädchen beide Hände entgegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Das ist eine kostbare Ueberraschung&excl;« rief er aus&comma; »eine kostbare Ueberraschung&excl; Anstatt des Kindes kommt eine junge Dame an&excl; Hat uns Freund Macket mit Absicht getäuscht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse lachte und zeigte die weißen Zähne&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie Sie dem Papa ähnlich sehen&excl;« fuhr er lebhaft fort&comma; »derselbe Mund&comma; die Zähne&comma; das Kinn&comma; es ist auffallend&excl;« Er schob die Lampe näher zu ihr&comma; damit er sie noch besser betrachten könne&period; »Das Haar haben Sie von der Mutter geerbt&comma; auch die braunen Augen&comma; das heißt nur in Farbe und Schnitt&period; Der Ausdruck der Ihrigen ist lebhafter&comma; er verrät nicht das sanfte Taubengemüt der seligen Mama&period; Können Sie zornig blicken&quest;« fragte er scherzend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber lieber Mann&comma;« unterbrach ihn Frau Gontrau lachend&comma; »erst stellst du ein peinliches Examen mit dem Aeußeren unsres lieben Gastes an&comma; nun gehst du auch noch auf die Charaktereigenschaften über&excl; – Kommen Sie&comma; liebes Kind&comma; ich will Sie erlösen&period; Ich werde Sie auf Ihr Zimmer führen&comma; damit Sie sich von der langen Reise etwas erfrischen können&period; Ich habe Sie dicht neben mein Schlafzimmer einquartiert&comma; die Fremdenzimmer liegen eine Treppe höher&comma; und ich dachte&comma; die Kleine fürchte sich&comma; allein dort zu schlafen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O wie reizend&excl;« rief Ilse kindlich erfreut und verriet&comma; daß sie im Punkte der Furcht noch ganz wie ein richtiges Kind empfand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Leo&comma;« redete der Amtsrat den Sohn an&comma; als die Damen das Zimmer verlassen hatten&comma; »ist sie nicht ein reizendes Kind&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Angeredete schien sehr vertieft in seiner Zeitungslektüre&comma; wenigstens mußte der Vater noch einmal die Frage wiederholen&comma; bevor er eine Antwort erhielt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ja&comma; ja&comma;« gab er gleichgültig zur Antwort&comma; »sie ist ein ganz netter&comma; kleiner Backfisch&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Netter Backfisch&excl; Ist das ein Ausdruck für ein so liebliches Wesen&excl; Hast du denn gar keine Augen im Kopfe&quest; Ich sage dir&comma; Temperament steckt in dem ›kleinen Backfisch‹&comma; mehr als du dir träumen läßt&excl; Ein Blick und ich weiß Bescheid&excl; Du hast kein Urteil&comma; mein Junge&comma; darin ist dein Vater dir über&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Leo gab keine Antwort darauf und las andächtig weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Abendstunden entschwanden in Frohsinn und Heiterkeit&period; Ilse plauderte und erzählte ganz ohne Scheu&period; Sie fühlte sich heimisch bei den lieben Menschen&period; Der Landrat liebte es&comma; sie zu necken&comma; und sie verstand seinen Scherz&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Bleiben Sie einige Tage hier&comma;« redete er ihr zu&comma; »die Zeit ist so kurz bis morgen mittag&period; Wir telegraphieren den Eltern&comma; daß wir Sie hier behielten&comma; sie werden nicht böse darüber sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Leo warf einen schnellen Blick zu Ilse hinüber&comma; der fast wie eine Bitte aussah&comma; auch erbot er sich&comma; ganz früh am andern Morgen nach dem Stationsgebäude zu reiten&comma; um ein Telegramm aufzugeben&period; Frau Gontrau unterstützte die Bitte ihres Mannes mit großer Wärme&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es wäre eine große Freude für uns&comma; wenn Sie blieben&comma;« sagte sie&comma; »es fehlt uns ein frisches Element in unsrem Hause&period; Sie haben die glückliche Gabe&comma; Leben und Frohsinn um sich zu verbreiten&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bitte&comma; bitte&comma; quälen Sie mich nicht&comma;« bat Ilse&comma; »ich kann nicht bleiben&excl; Ich kann es nicht&comma; so reizend es mir auch hier gefällt&excl; Meine Eltern erwarten mich morgen und ich habe auch große Sehnsucht nach ihnen und auf den kleinen Bruder freue ich mich furchtbar&excl; Er weiß noch gar nicht&comma; daß er eine große Schwester hat&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Dagegen war nichts einzuwenden&period; Ilses Antwort war so echt kindlich und natürlich&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Gontrau strich ihr die krausen Locken zurück und klopfte ihr leicht die Wange&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie haben recht&comma; liebe Kleine&comma; Ihren Entschluß nicht zu ändern&period; Wir wollen auch gar nicht weiter in Sie dringen mit unsren Bitten&period; Besuchen Sie uns bald auf längere Zeit&comma; Leo verläßt uns in einigen Wochen und dann ist es einsam in unsrem großen Hause&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Daraus wird doch nichts&excl;« erklärte der Landrat&period; »Ich kenne meinen Freund Macket und weiß&comma; daß er so bald sein Töchterchen nicht wieder fortgiebt&period; Halt&comma; da fällt mir ein guter Gedanke ein&excl; In seinem letzten Briefe ladet der Papa uns zum Erntefeste ein&comma; das in vier Wochen etwa stattfinden soll&period; Ich nehme die Einladung an für uns&comma; Punktum&excl; Aber ich knüpfe die Bedingung daran&comma; daß er Sie mit uns zurückreisen läßt&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse jubelte vor Vergnügen&comma; »das wär’ zu – zu himmlisch&excl;« rief sie aus&period; »Aber Sie müssen auch Wort halten&comma; geben Sie mir die Hand darauf&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Mit einem kräftigen Handschlag besiegelte er sein Versprechen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ein Handschlag galt bei uns in der Pension für den höchsten Eid&comma;« sagte sie mit einem ernsten Kindergesicht&comma; »dagegen handeln heißt meineidig sein&period; – Sie werden doch mitkommen&quest;« wandte sie sich an Leo&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Natürlich&comma;« entgegnete er freudig&comma; »der feierliche Eid gilt auch für mich&period; Wollen wir ihn auch mit einem Handschlag besiegeln&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O nein&comma;« entgegnete sie leicht errötend&comma; »ich glaube Ihnen schon auf Ihr Wort&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als es elf schlug&comma; mahnte Frau Gontrau zur Ruhe&period; »Sie werden müde und abgespannt sein von der Reise und den vielen fremden Eindrücken&comma; liebe Ilse&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich empfinde gar keine Müdigkeit&comma;« entgegnete diese&comma; »und könnte noch lange aufbleiben&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie hätte es auch gethan&comma; wenn sie nur Papier und Feder in ihrem Zimmer gefunden hätte&excl; Wie gerne hätte sie ihrer Nellie so ganz frisch ihre Reiseerlebnisse erzählt&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Am andern Morgen gleich nach dem zweiten Frühstück rüstete sich Ilse zur Weiterreise&period; Eben trat sie mit dem Korbe mit den Blumen vor die Thüre&comma; sie hatte sie noch einmal mit Wasser besprengt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wollen Sie denn die welken Sträuße wirklich wieder mit sich nehmen&quest;« fragte Assessor Gontrau&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse blickte auf den Korb und stand unschlüssig da&period; »Freilich&comma;« sagte sie betrübt&comma; »sie sehen traurig aus&comma; meine lieben&comma; schönen Blumen&comma; nun sind sie alle welk&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wissen Sie was&comma; Fräulein Ilse&comma;« riet der Assessor heiter&comma; »wir wollen ein Autodafee anstellen und sie verbrennen&excl; Dann sammeln wir die Asche und Sie bewahren dieselbe in einer kostbaren Urne auf&comma; welche die Inschrift trägt&colon; Diese Urne birgt die Asche der Blumensträuße meiner geliebten sieben Freundinnen in der Pension&period; – Wie gefällt Ihnen diese Idee&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; Sie sind abscheulich&excl;« rief sie&period; »Sie wollen sich über mich lustig machen&quest; Trotzdem&comma;« fügte sie echt logisch hinzu&comma; »gefällt mir das Verbrennen ganz gut&period; Errichten Sie schnell einen Scheiterhaufen&comma; so viel Zeit bis zu meiner Abfahrt bleibt mir noch&comma; ich will die Blumen in Flammen aufgehen sehen&excl; Die Asche aber sammeln wir nicht&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Leo trug eilig etwas trockenes Reisig auf dem Kiesplatze vor dem Hause zusammen und in wenigen Sekunden flackerte ein lustiges Feuer auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ein Strauß nach dem andern verfiel dem Feuertode&comma; nur als Nellies Rosen an die Reihe kamen&comma; hielt Ilse ihm den Arm fest&period; »Halten Sie ein&excl;« rief sie&comma; »der darf nicht geopfert werden&comma; die Blumen meiner lieben Nellie bewahre ich bis zu meinem Tode auf&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Mit in das Grab&comma;« fügte er neckend hinzu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Gontrau&comma; die mit ihrem Sohne Ilse bis zur Bahn begleiten wollte&comma; erschien jetzt fertig angekleidet in der Thüre und mahnte zum Aufbruch&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse ging in das Haus und nahm Abschied von dem Landrate&period; So gerne wäre er mitgefahren und mußte nun des bösen Fußes wegen zurückbleiben&period; Es war eine rechte Geduldsprobe für ihn&period; Noch einmal erinnerte sie ihn dringend an seinen Schwur&period; »Sie müssen kommen&excl;« war ihr letztes Wort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es bleibt dabei&excl;« rief er ihr nach&comma; »der Schwur gilt&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie im Begriffe war&comma; in den Wagen zu steigen&comma; überreichte ihr Leo ein kostbares Rosenboukett&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Blumen sind aus der Asche erstiegen&comma;« sprach er&comma; »Sie werden dieselben nicht verschmähen&comma;« fügte er hinzu&comma; als sie vor Ueberraschung vergaß&comma; dieselben in Empfang zu nehmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»O&comma; wie reizend&excl; Wie furchtbar liebenswürdig&excl; Sie glauben nicht&comma; wie ich mich freue&excl;« Mit holdem Erröten reichte sie ihm die Hand&period; »Ich danke Ihnen tausendmal&excl; Ich liebe die Rosen so sehr und so schön wie diese sah ich noch keine&period; Wie sehr&comma; wie furchtbar haben Sie mich erfreut&excl;« Und sie konnte den Blick nicht von den herrlichen Blumen wenden und wiederholte noch einige Male&colon; »ich freue mich zu sehr&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Leo lächelte seine Mutter an und sie verstand ihn wohl&period; War doch auch sie entzückt über die kindliche Freude und die Anmut&comma; mit der Ilse zu danken verstand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Stunden vergehen schnell&comma; besonders die glücklichen&period; Die Fahrt bis zum Bahnhof war geschwunden&comma; Ilse wußte nicht wie&period; Jetzt saß sie im Dampfwagen und fuhr der Heimat zu&period; Ihre Gedanken schwirrten bunt durcheinander&comma; sie flogen voraus und träumten vom Wiedersehen – und sie kehrten zurück und führten sie wieder nach Lindenhof&period; Es hatte ihr himmlisch dort gefallen&excl; Der Abschied war ihr beinahe schwer geworden&period; Leo hatte ihr die Hand geküßt und sie hatte es sich gefallen lassen&period; Ob das wohl recht war&quest; Am Ende hätte sie ihm die Hand entziehen müssen&quest; – »Ach&comma;« seufzte sie laut&comma; zum Glück war sie allein im Koupee&comma; »ach&excl; Es ist doch zu öde&comma; wenn man gar nicht weiß&comma; wie man sich zu benehmen hat&excl; Am Ende spottet er jetzt über mich&excl;« Sie errötete bei diesem furchtbaren Gedanken&period; Da fiel ihr Blick auf den Rosenstrauß&comma; und wie sie den süßen Duft desselben einatmete&comma; stand plötzlich sein Bild lebhaft vor ihr&period; Ein wunderbares Gefühl überkam sie&comma; aber es war ihr fremd und sie schreckte davor zurück&period; Sie legte den Strauß aus der Hand und erhob sich&period; Sie wollte nicht weiter an ihn denken&comma; sie wollte es nicht&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Um sich zu zerstreuen&comma; blickte sie zum Fenster hinaus&period; Erst auf der einen&comma; dann auf der andern Seite&period; Aber sie sah nicht viel&comma; nichts als leere Stoppelfelder&comma; das war langweilig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Sie setzte sich wieder und nahm ihre Handtasche vor&period; Nachdem sie ein Weilchen darin gekramt&comma; fiel ihr ein Buch in die Hände&comma; das Nellie ihr hineingesteckt hatte&comma; damit sie Unterhaltung habe&period; Sie hatte gar nicht daran gedacht&comma; jetzt griff sie freudig nach Chamissos Gedichten&period; Im Begriffe&comma; das Buch zu öffnen&comma; fiel ihr etwas ein&period; »Halt&comma;« sagte sie für sich&comma; »jetzt werde ich das Orakel befragen&comma; wie Flora uns gelehrt hat&period;« Sie schlug drei Kreuze über das Buch und sah gen Himmel dabei&comma; dann öffnete sie es schnell und die erste Zeile&comma; auf die ihr Blick fiel&comma; hieß&colon;<br&sol;>»Helft mir&comma; ihr Schwestern&comma; Kränze zu winden –«<&sol;p>&NewLine;<p>»Unsinn&excl; Ich will es nicht gelten lassen&excl;« rief sie&comma; »also noch einmal&excl;« Das Buch wurde wieder geschlossen und recht&comma; recht fest zusammengedrückt&comma; dann wieder die drei üblichen Kreuze&comma; wieder langsam und feierlich geöffnet – und siehe da&comma; dieselben Worte gaben ihr Antwort auf ihre Frage&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Sonderbar&excl; furchtbar sonderbar&excl;« dachte sie sinnend und einen Augenblick war sie in Versuchung&comma; der prophetischen Stimme zu glauben&comma; dann aber siegte ihre gesunde Vernunft&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist doch nur ein Zufall und die ganze Geschichte dummes Zeug&excl;« Mit diesem vernünftigen Gedanken gab sie alle Schicksalsfragen auf und vertiefte sich in Chamissos herrliche Gedichte&period; Einige Male freilich ertappte sie sich auf dem Wege nach Lindenhof und Leos Bild neckte sie aus den Zeilen&comma; aber sie wehrte sich tapfer gegen diese Traumbilder&period; Sie schwanden von selbst&comma; je näher sie der Heimat kam&period; Sie legte das Buch beiseite und blickte zum Fenster hinaus&period; Schon erkannte sie verschiedene Ortschaften&comma; die in der Nähe von Moosdorf lagen&comma; schon konnte sie den Bahnhof erkennen&excl; Ihr Herz schlug vor Erwartung und Freude&comma; ihre Augen flogen voraus und jetzt erkannte sie die Eltern&comma; die auf dem Perron standen&comma; um sie in Empfang zu nehmen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Welche Seligkeit ein Kind empfindet&comma; wenn es nach langer Trennung zu den geliebten Eltern zurückkehrt&comma; das&comma; meine jungen Leserinnen&comma; kann nicht geschildert&comma; sondern muß empfunden werden&period; Ilse lag in den Armen ihres Vaters und dachte an nichts weiter&comma; als an das Glück&comma; wieder daheim zu sein&period;<&sol;p>&NewLine;<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Emmy-von-Rhoden&sol;Der-Trotzkopf&sol;021&period;jpg&quest;m&equals;1382220781&" alt&equals;"" width&equals;"700" height&equals;"310"><&sol;p>&NewLine;<p>»Bist du groß geworden&excl;« rief der Oberamtmann und betrachtete sie mit stolzer Freude&semi; »ich hätte dich kaum wiedererkannt&excl; Als halbes Kind gingst du von uns und jetzt kehrst du heim als junge Dame&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Er hielt sie noch immer in seinen Armen und konnte sich nicht satt sehen an ihr&period; Sanft entwand sie sich ihm&comma; noch hatte sie die Mutter nicht begrüßt&comma; die mit Thränen im Auge daneben stand und ihr die Arme entgegenstreckte&period; Ilse flog an ihr Herz und umschlang sie innig&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Meine liebe Mama&excl;« das war alles&comma; was sie sagen konnte&period; Und Frau Macket verstand sie&comma; innig drückte sie ihr Kind an sich&comma; sie wußte&comma; daß sie jetzt sein Herz für immer gewonnen hatte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Hier ist noch jemand&comma; der dich begrüßen will&comma; Kleines&comma;« unterbrach der Oberamtmann die kleine rührende Szene&comma; die ihn selbst schon ganz weichmütig machte&comma; »sieh&comma; Onkel Curt&comma; berühmter Maler und Afrikareisender&comma; möchte gern deine Bekanntschaft machen&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Ilse reichte ihm die Hand und stand nun einem wirklichen Künstler gegenüber&period; Ob sie ihn »reizend« fand&quest; – Als sie ihn ansah&comma; den mittelgroßen&comma; etwas breitschultrigen Mann&comma; in der Samtjoppe&comma; die mehr bequem als elegant saß&comma; mit dem breitkrempigen Hute&comma; der ein braun gebranntes&comma; etwas verwittertes Gesicht tief beschattete&comma; da drängte sich unwillkürlich ein andrer in ihre Gedanken und sie verglich&period; »Die Juristen gefallen mir doch besser als die Künstler&comma;« – so meinte sie still in ihrem Herzen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ehe Ilse in den Wagen stieg&comma; wurde sie von Johann feierlich begrüßt&period; Zur besonderen Ueberraschung hatte er Bob mitgebracht&comma; der nun in toller&comma; ausgelassener Freude seine Herrin begrüßte&period; Johann vergaß dabei seine Empfangsrede&comma; die er sich mühsam zurechtgedacht hatte&period; Verlegen drehte er seine Mütze und sein breiter Mund zog sich von einem Ohre zum andern&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Da ist der Hund&comma; Fräulein Ilschen&comma;« sagte er&period; »Das unvernünftige Vieh hat das Fräulein gewissermaßen gleich erkannt&period; Ich auch&comma; wenn auch das Fräulein gewissermaßen schön und stattlich geworden sind&comma; wie ein Kürassier&period;« – Diesen wunderlichen Vergleich gebrauchte Johann nur bei ganz außergewöhnlichen Gelegenheiten&comma; er galt für ihn als höchster Ausdruck des Vollkommnen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Alle lachten und Ilse reichte dem Freunde ihrer Kindheit die Hand&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist gut&comma; Johann&comma;« sagte der Oberamtmann&comma; »du hast eine schöne Rede gehalten&period; Nun aber steige auf und lasse die Pferde tüchtig zugreifen&comma; in einer halben Stunde müssen wir in Moosdorf sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Im Vaterhause war alles festlich bereitet&period; Fahnen&comma; Kränze&comma; Blumen&comma; sogar eine Ehrenpforte mit einem mächtigen »Willkommen&excl;« begrüßten die heimkehrende Tochter&period; – Aber sie hatte nur einen flüchtigen Blick für alle Herrlichkeiten&comma; ihre Ungeduld trieb sie hinein in das Haus&comma; sie mußte zuerst das Brüderchen sehen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Anne&comma; die vor ihr hineingegangen war&comma; trat ihr schon mit demselben entgegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du süßer&comma; süßer Junge&excl;« rief Ilse im höchsten Entzücken und der prächtige Knabe streckte ihr jauchzend seine Aermchen entgegen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Er will zu mir&comma; Mama&comma; darf ich ihn nehmen&quest;« Glücklich lächelnd reichte die Frau ihr den Kleinen&period; Und Ilse tanzte mit ihm im Zimmer herum und küßte und herzte ihn&comma; bis er zu weinen anfing&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die Mutter nahm ihr den kleinen Schreihals ab&period; »War ich zu wild&comma; Mama&quest;« fragte Ilse bedauernd&comma; »sei mir nicht böse darum&excl; Ich freue mich ja zu furchtbar über ihn&excl; – Was er für dicke Aermchen hat&comma;« fuhr sie zärtlich fort und küßte dieselben&period; »Ach&comma; und die lieben&comma; schönen Guckäuglein schwimmen in Thränen&excl; Daran ist nur die böse&comma; böse Schwester schuld&comma; mein kleines Herz&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>So plauderte Ilse bunt durcheinander und war so glücklich wie ein Kind am Weihnachtsabend&comma; wenn es seine neue Puppe begrüßt&period; Sie mochte sich gar nicht von dem Kinde entfernen&comma; bis endlich die Mama dasselbe der Wärterin übergab&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun ist es genug&comma; Kind&comma;« scherzte Frau Anne&comma; »du verwöhnst mir sonst den Jungen&comma; auch vergißt du uns andre darüber&period; Sieh&excl; Papa und der Onkel stehen schon wartend da&comma; sie wünschen&comma; daß du sie in das Speisezimmer hinüber begleitest&period; Oder möchtest du erst einmal hinauf in dein Zimmer gehn&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie ergriff Ilses Arm und führte sie in die obere Etage&comma; die beiden Herren folgten ihnen&comma; und Ilse mußte darüber lachen&comma; sie ahnte ja nicht&comma; weshalb sie es thaten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Es war eine großartige Ueberraschung&comma; die ihrer wartete&period; Als sie ihr Zimmer betrat&comma; blieb sie sprachlos an der Thüre stehen&period; Sie erkannte die früheren Räume nicht wieder&period; Wohn- und Schlafgemach hatten die Eltern im altdeutschen Stil eingerichtet&period; Nichts war vergessen&period; Vom Schreibtisch bis auf die kleine Schmucktruhe&comma; die vor dem Spiegel auf einem Schränkchen stand&period; Sogar eine Staffelei war am Fenster aufgestellt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Ilses Freude war unbeschreiblich&comma; die Eltern hatten ja ihre kühnsten Wünsche erfüllt&period; – Etwas befangen betrachtete sie Staffelei und Maltisch&period; »O&comma; Papa&comma;« sagte sie schüchtern&comma; »das ist zu schön für mich&comma; ich kann ja noch gar nicht malen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Bedanke dich bei dem Onkel dafür&comma; er ist der Anstifter davon&excl;« entgegnete der Oberamtmann&period; »Er hat versprochen&comma; dein Lehrmeister zu sein&comma; das heißt&colon; solange der Wandervogel bei uns aushalten wird&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Nach dem Essen schlich sich Ilse hinaus in den Hof&comma; sie mußte es fast heimlich thun&comma; denn der Papa konnte sich heute nicht von ihr trennen&period; Johann hatte auf diesen Augenblick längst gewartet und stand schon bereit&comma; das Fräulein zu führen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Zuerst mußte sie ihm in den Pferdestall folgen&comma; und als sie die Runde durch sämtliche andre Ställe gemacht&comma; alle Kühe&comma; Hunde u&period; s&period; w&period; begrüßt hatte&comma; da wollte er ihr auch noch den neuen Schweinestall zeigen&comma; diesen Besuch aber schob Ilse bis auf eine andre Zeit auf&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Schade&comma; schade&comma;« meinte Johann und machte ein niedergeschlagenes Gesicht&comma; »ich hätte dem Fräulein so gern das neue Schweinehaus gezeigt&period; Es ist gewissermaßen schön drin&comma; man könnte selbst drin wohnen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Morgen&comma; Johann&comma;« entgegnete Ilse&comma; »heute habe ich keine Zeit mehr dazu&comma; ich muß zu den Eltern&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Kopfschüttelnd blickte der Kutscher ihr nach&period; »Früher hätte sie das nicht gesagt&comma;« sprach er für sich und bedenklich setzte er hinzu&colon; »Sollte sie vornehm geworden sein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Als der Tag zu Ende war&comma; als Ilse allein in ihrem Zimmer saß&comma; um zur Ruhe zu gehen&comma; hielt sie zuvor noch eine Einkehr in ihr Herz&period; Der heutige Tag war so reich an wechselvollen und freudigen Eindrücken gewesen&comma; was lag nicht alles zwischen Abend und Morgen&excl; Trennung und Wiedersehn&excl; War sie wirklich erst heute früh von Lindenhof abgefahren&comma; und hatte sie erst gestern morgen die Pension verlassen&quest; Der Abschied von dort schien schon so weit hinter ihr zu liegen&period; –<&sol;p>&NewLine;<p>Es war so süß&comma; mit wachen Augen noch etwas zu träumen&comma; und sie mochte noch nicht an den Schlaf denken&period; Ihr Blick fiel auf den geöffneten Reisekoffer und sie bekam Lust&comma; denselben auszupacken&period; Sie fing auch an&comma; einige Sachen herauszunehmen und in die herrlich geschnitzte Kommode zu räumen&comma; dabei mußte sie sich an Nellie erinnern&semi; es fiel ihr ein&comma; wie treu und lustig sie ihr geholfen hatte&comma; damals&comma; am ersten Tage in der Pension&period; Die gute&comma; geduldige Nellie&excl; Wäre sie doch gleich bei ihr&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>Als sie ihr Tagebuch aus dem Koffer nahm&comma; behielt sie es sinnend in der Hand&period; Was es enthielt&comma; waren nur weiße Blätter&comma; denn nie hatte sie das Bedürfnis gefühlt&comma; ihm etwas anzuvertrauen&period; Wie in halber Zerstreuung schloß sie es auf und legte es geöffnet auf den Schreibtisch&period; Sie griff nach der Feder&comma; tauchte sie ein und plötzlich – wie von einer inneren Macht getrieben&comma; schrieb sie die Worte nieder&colon; »Seit ich ihn gesehen –«<&sol;p>&NewLine;<p>Weiter kam sie nicht&period; Sie warf die Feder weit von sich und hielt beide Hände vor ihr heißerglühtes Gesicht&period; Eine tiefe Beschämung preßte ihr die Brust zusammen&period; Was hatte sie geschrieben&comma; wessen Bild hatte ihr die Worte diktiert&quest;<&sol;p>&NewLine;<p>Als ob sie sich auf einem schweren Unrecht ertappt&comma; so schnell schloß sie das Buch und barg es in einem versteckten Fach ihres neuen Schreibtisches&period; Fort mit den thörichten Gedanken&comma; die ihr Unruhe machten und an denen nur Chamissos Lieder die Schuld trugen&excl; Sie wollte sie niemals wieder lesen – niemals&excl; –<&sol;p>&NewLine;<p>Drei Wochen waren Ilse im elterlichen Hause vergangen und sie fühlte sich so glücklich und wohl darin&comma; wie nie zuvor&period; Gleich in den ersten Tagen hatte sie ihre Zeit nützlich eingeteilt&period; Auf ihren Wunsch gab ihr der Prediger noch einige Nachhilfestunden in verschiedenen wissenschaftlichen Fächern&period; Er war überrascht über die Fortschritte seiner früheren Schülerin&comma; besonders aber freute er sich über ihren Ernst&comma; ihre Beständigkeit beim Lernen&period; Er hatte sich nicht geirrt&comma; als er die Pension einen Segen für Ilse genannt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Auch Frau Anne segnete das Institut&comma; das aus dem wilden Kinde eine liebliche&comma; sinnende Jungfrau geschaffen hatte&period; Eine solche Umwandlung hatte sie vor Jahr und Tag kaum für möglich gehalten&period; An Ilses gutem Herzen hatte sie niemals gezweifelt&comma; aber sie war überrascht von der geduldigen Liebe&comma; die sie dem kleinen Bruder entgegenbrachte&period; Nur der Amtsrat konnte sich noch nicht in sein verändertes Kind finden&period; Manchmal sah er es prüfend von der Seite an&comma; als ob er fragen wollte&colon; »Ist sie es&comma; oder ist sie es nicht&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich weiß nicht&comma;« sagte er eines Tages zu seiner Gattin&comma; »Ilse ist mir zu zahm geworden&period; Ich kann mir nicht helfen&comma; aber mein unbändiges Kind mit dem Loch im Kleide gefiel mir besser&comma; als die junge Dame im modischen Anzuge&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Aber Ilse ist jetzt wirklich eine junge Dame&comma; lieber Richard&comma;« lachte Frau Anne&comma; »sie ist kein Kind mehr und du mußt dich daran gewöhnen&comma; sie nicht mehr als solches anzusehn&period; Uebrigens ist sie so heiter und ausgelassen wie früher&comma; nur hat sie gelernt&comma; ihren Uebermut zu zügeln&period; Ich bin sehr zufrieden&comma; wie sie ist&comma; und bin ganz stolz auf mein Töchterchen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Du magst ja recht haben&comma;« entgegnete Herr Macket&comma; ohne indes von der Wahrheit ihrer Worte überzeugt zu sein&comma; »und mit der Zeit werde ich mich auch an das erwachsene Mädchen gewöhnen&comma; aber ich glaube&comma; es wird noch mancher Tag darüber hingehn&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Wer weiß&excl; Wer weiß&excl; Ilse reißt dich vielleicht&comma; ehe du es denkst&comma; aus deiner Täuschung und giebt dir den Beweis&comma; daß sie kein Kind mehr ist&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich verstehe dich nicht&comma; liebe Anne&comma;« sagte der Oberamtmann und sah seine Frau fragend an&comma; »du sprichst so geheimnisvoll und machst mich neugierig&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich habe eine Beobachtung gemacht und glaube nicht&comma; daß ich mich täusche&period; Der junge Gontrau ist Ilse nicht gleichgültig geblieben&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sprachlos blickte Herr Macket seine Frau an&period; Eine solche Möglichkeit zu fassen&comma; war er nicht im stande&comma; sie war ihm noch niemals in den Sinn gekommen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Du irrst&comma; Anne&comma;« sprach er endlich&comma; »das ist geradezu unmöglich&period; Oder&comma;« fügte er besorgt hinzu&comma; »hat sie dir etwa ein Geständnis abgelegt&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Behüte Gott&comma;« wehrte Frau Anne ab&comma; »wo denkst du hin&quest; Ilses Herz ist wie eine Sinnpflanze&comma; die ihre Blätter schließt bei der leisesten Berührung&period; Noch weiß und ahnt sie selbst nichts von ihren Gefühlen&comma; in ihrer kindlichen Unbefangenheit hat sie mir ihr Geheimnis verraten&period; Sie spricht gern und oft von Gontraus und weilt am liebsten in ihrer Erinnerung bei dem Sohne&comma; von dem sie ausführlich jede Kleinigkeit erzählt&period; Du müßtest sie hören&comma; wenn sie die Erkennungsszene am Bahnhof in Lindenhof erzählt&comma; und sehen&comma; wie ihre Augen dabei strahlen&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun ja&comma;« fiel er ihr ins Wort&comma; »das war romantisch&excl; Du bist eine so kluge Frau&comma; mein Annchen&comma; weißt du denn nicht&comma; daß alle Backfischchen gern schwärmen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Höre nur weiter zu&comma; Richard&period; Neulich fragte sie mich ganz aus dem Stegreife&comma; ob ich den Namen ›Leo‹ schön fände&comma; und ob Juristen kluge Menschen wären&quest; Den Rosenstrauß&comma; den sie bei ihrem Abschied erhielt&comma; hat sie aufbewahrt&period; Als neulich die Hausmagd denselben wegwerfen wollte&comma; ward sie fast ärgerlich&period; Sie nahm ihr denselben aus der Hand und steckte die vertrockneten Blumen in eine Vase&comma; die heute noch auf ihrem Schreibtische steht&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Ist das alles&comma; was du weißt&quest;« lachte der Oberamtmann vergnügt und auch sehr erleichtert&comma; »dann muß ich dir sagen&comma; liebes Kind&comma; daß deine Beobachtungen auf sehr wacklichen Füßen stehen&period; Ich kenne meinen Wildfang besser und weiß&comma; daß er noch fern von solchen Allotrias ist&period; Ilschen verliebt&excl; Ha&comma; ha&comma; ha&excl; Vergieb&comma; Frauchen&comma; daß ich dich auslache&comma; aber ich kann nicht anders&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Sie mochte nicht weiter seine sichere Unbefangenheit stören und brach das Gespräch ab&period; »Was kommen soll&comma; kommt doch&comma;« dachte sie&comma; »und wer kann sagen&comma; wie bald&excl;« – Wenige Tage nach diesem Gespräche fand das Erntefest statt&period; Frau Macket und Ilse befanden sich am Morgen dieses Tages in dem großen Gartensaale&period; Sie ordneten noch hier und da einiges an der gedeckten Tafel&comma; die festlich geschmückt und zum Empfange vieler Gäste bereit stand&period; Ilse beschäftigte sich damit&comma; die Vasen mit Blumen zu füllen&period; Es war ihr so vergnügt und froh um das Herz und singend und trällernd verrichtete sie ihre Arbeit&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mama&comma;« unterbrach sie sich plötzlich&comma; »weißt du&comma; daß ich eigentlich recht betrübt heute bin&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma;« entgegnete die Angeredete lächelnd&comma; »davon habe ich noch nichts gemerkt&period; Weshalb wolltest du auch betrübt sein&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Weil Nellie mir nicht geschrieben hat&period; Ich habe sie so herzlich zu unsrem Erntefeste eingeladen und sie hat mir keine Antwort darauf gegeben&period; Heute sind es sechs Tage&comma; daß ich ihr schrieb&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Sie wird keine Erlaubnis erhalten haben&comma; Kind&period; Du zweifeltest selbst daran&comma; hast du das vergessen&quest; Es wird ihr sehr schwer werden&comma; dir der Vorsteherin abschlägige Antwort mitzuteilen&period; Oder sollte sie dich heute unangemeldet überraschen&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Das wäre famos&comma; himmlisch&excl; Gontraus und Nellie hier – dann wären alle meine Wünsche erfüllt&excl; Aber daran ist nicht zu denken&comma; Fräulein Raimar erlaubt das auf keinen Fall&period; Nellie muß immer lernen und immer lernen&period; Ach Mama&excl; Es muß furchtbar schrecklich sein&comma; eine Gouvernante zu werden&excl; Findest du nicht auch&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Frau Anne versuchte&comma; Ilse von ihrem Vorurteile zu heilen&comma; aber vergeblich&period; Sie blieb dabei&comma; Gouvernanten könnten nur alte Mädchen werden und ihre Nellie passe gar nicht dazu&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Plaudernd und singend hatte Ilse endlich sämtliche Vasen gefüllt und auf der Tafel verteilt&period; Sie stand noch bewundernd vor ihrem Werke&comma; als die Mutter sie antrieb&comma; sich anzukleiden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Es ist hohe Zeit&comma; Ilse&comma; wir müssen uns eilen&comma; in einer Stunde wird Papa mit Gontraus zurück sein&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Wie ein Vogel flog Ilse die Treppe hinauf in ihr Zimmer&period; Kaum hatte sie indessen mit ihrer Toilette begonnen&comma; als ihr die Magd einen Brief überbrachte&comma; den der Briefträger soeben für sie abgegeben hatte&period; Er war von Nellie&period; Sie erbrach ihn sofort und las&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Die ersten Worte schon brachten sie in eine lebhafte Aufregung&comma; kaum vermochte sie weiter zu lesen&period; Mit stockendem Atem überflog sie die Zeilen&comma; und als sie zu Ende war&comma; eilte sie mit dem Briefe hinunter in der Mutter Gemach&period; Sie hätte es nicht ausgehalten&comma; die wichtige Neuigkeit&comma; die sie eben erhalten&comma; länger für sich zu behalten&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mama&excl;« rief sie ganz atemlos&comma; »ein Brief von Nellie&excl; Ich muß ihn dir vorlesen&excl;« – Und sie begann&colon;<&sol;p>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>&NewLine;<p><br&sol;>»Mein süß Ilschen&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich bin eine Braut&excl; O&excl; und ein sehr glückliches Braut&excl; Errätst Du&comma; mit wem&quest; Ja&quest; O Ilse&comma; Doktor Althoff ist meiner liebe&comma; liebe Schatz&excl; Ich möchte gleich Deine liebes Gesicht schauen&comma; wenn Du diese groß Ereignis liest&comma; ich sehe&comma; wie Du Dein braun Lockenkopf schüttelst und höre Dir rufen&colon; ›Nellie will mir pfoppen&excl;‹ Aber nein&comma; sie pfoppt Dir nicht&comma; alles&comma; was sie heute schreibt&comma; ist wahr&period; Du sollst alles wissen&comma; meine liebe Freundin&comma; ich will erzählen&comma; wie es kam&period; O&comma; es ist ein schwer’ Aufgabe für mich&comma; – ich bin so zerwirrt vom Glück und ich finde mir so schlecht zurecht mit der deutsch Sprache&period; Du mußt Geduld mit Dein Nellie haben&comma; die eigentlich sehr dumm ist&excl; Ich schäm’ mir&comma; Ilse&comma; wenn ich denke an mein furchtbaren Dummheit&period; Es ist mir ein Rätsel&comma; wie Alfred mir lieb haben kann&period; – Doch still darüber&period; – Höre weiter&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Mit Dein lieber Brief&comma; den Du mir schriebst&comma; wo Du mir zu Dein Erntefest einladest&comma; kam ein andern Brief an Fräulein Raimar&period; Als ich nun begriffen war&comma; in ihr Zimmer zu steigen&comma; um sie recht für die Erlaubnis zu bitten&comma; tritt sie ganz plötzlich – ohne Anmeldung bei mir ein&period; Das war ein Wunder&comma; denn sie macht uns niemals ein Visite&comma; immer läßt sie uns rufen&comma; wenn sie einiges von uns will&period; Ich errötete vor Schreck&comma; Du kannst denken&period; ›Nellie&comma;‹ spricht sie und hält ein offner Brief in ihr Hand&comma; ›dieses Schreiben hier enthält die Anfrage an mir&comma; ob ich nicht ein junge Engländerin zu sofortiger Antritt empfehlen kann&period; Vollkommen deutsch braucht diese nicht zu sprechen&comma; sie soll nur die drei Kinder englisch beibringen&period; Ich denke Dir vorzuschlagen&comma; Nellie&comma; bist Du einverstanden&quest; Die Dame bietet hohe Gehalt&period;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich glaube&comma; daß ich ein sehr traurig Gesicht machte zu ihr Vorschlag und ich konnte auch gar nix sagen&period; Dein Brief hielt ich noch in die Hand&comma; aber ich habe nicht gewagt&comma; Fräulein Raimar zu sprechen&comma; sie hätte doch mein Bitten abgeschlagen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»›Du hast wohl keine Lust&comma;‹ fragte sie&comma; weil ich schweigend war&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»›O&comma; gar keine Lust&comma;‹ dacht’ ich&comma; aber ich durft’ nicht sagen&comma; wie furchtbar schrecklich mich der Gedanke war&comma; ein Vierteldutzend Kinder zu unterrichten&period; Immer so weise und artig sein&comma; – immer so mit der guten Beispiel vorangehn – nein&comma; das macht mir gar nicht Spaß&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»›Bestimmen Sie für mir&comma; Fräulein&comma;‹ sagte ich&comma; ›ich werde thun&comma; wie Sie denken&period; Werde ich aber klug genug sein&comma; zu ein’ so großer Aufgabe&quest;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»›Laß das meine Sorgen sein&comma;‹ sagte Fräulein Raimar sehr bestimmend&comma; ›ich würde Dich nicht empfehlen&comma; wenn ich nicht wüßte&comma; daß Du diese Stellung vollkommen erfüllen kannst&period;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»Damit verließ sie mir und ich blieb tief betrübt zurück&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Die Zubereitung für mein Abreise wurde gemacht und ich hatte viel zu thun&comma; o – und viel zu hören&excl;<&sol;p>&NewLine;<p>»Miß Lead hielt langen&comma; strengen Predigten und vorbereitete mich zu eine würdige Gouvernante&period; Fräulein Raimar mahnte mir täglich zu Ernst und Gediegenheit&comma; nur Fräulein Güssow sah mir oft mit ein lang traurigen Blick an&comma; der zu mich sprach&colon; Thust mich leid&comma; Darling&comma; daß Du unter fremde Leute dienen mußt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Der ernste Abschiedstag war da&period; Es war der achtundzwanzigste September&comma; morgens 11 Uhr&comma; ein Stunde vor meine Abreise&period; Ich saß in mein Zimmer auf mein Reisekoffer und weinte&period; Ich war so gefüllt von Kummer&comma; das Herz drückte mir so schwer wie ein Mühlstein in der Brust&period; Kannst Du Dich das vorstellen&quest; Nein&comma; süß Ilschen&comma; Du kannst nicht&period; Als Du von uns gingst&comma; weintest Du auch und warst sehr betrübt&comma; aber Du kehrtest in ein liebe Vaterhaus heim und Deine Eltern trocknete Deine Thräne&comma; – wer trocknet meine&quest; Niemand&period; Ich ging fort in die Fremde und ›ka Katzerl&comma; ka Hunderl‹ kümmert sich um mir&period; Ich wünschte mir tot zu liegen&comma; wie unsre süße Lilli&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Wie ich mir so ganz verlassen fühle und laut schluchze&comma; steht plötzlich Doktor Althoff&comma; mein Doktor Althoff vor mir&period; Ich hatte ihn nicht gehört&comma; als er anklopfte und die Thür öffnete&period; Du kannst mein Schreck denken&excl; Ich spring’ von mein Reisekoffer und halt’ das Tuch vor mein weinend Gesicht&comma; ich schämte mir so&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Leise zog er es fort und fragte mich mit seiner schöner&comma; tiefer Organ&colon; ›Warum weinen Sie&comma; Miß Nellie&quest; Thut Sie es weh&comma; aus dem Institut zu scheiden&comma; möchten Sie hier bleiben&excl;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich sagte gar nix&comma; weil ich nicht konnte vor lautes Schluchzen&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»›Sehen Sie mich an&comma; Miß Nellie&comma;‹ bat er&comma; ›ich möchte gern in Ihr Auge sehen bei das&comma; was ich Sie fragen will&period;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»Ich versuchte ihn anzublicken&comma; aber ich mußt’ mein Auge niederschlagen&comma; er hatte ein so sonderlicher Blick&comma; niemals hat er mir so angesehen&period; O&comma; ich ward so angst und es lief mich ganz heiß über mein Gesicht&period; Er griff mein’ Hand und hielt sie fest und dann – ich weiß nicht&comma; wie es kam – mit einem Male hatte er mir in seinen Arm genommen und fragte&colon; ›Haben Sie mich lieb&comma; Nellie&quest;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»Ilse&comma; kannst Du Dich denken&comma; was ich empfand bei diese Frage&quest; Es war&comma; als ob der Himmel plötzlich offen war und alle Seligkeit auf mein Haupt schüttelte&period; Im Wachen und im Träumen immer hör’ ich dieser Wort in mein Ohr und zuweilen denk’ ich&comma; es ist alles nicht wahr&excl; Doch höre weiter&period; Du bist mein best’ Freundin und nichts soll dir verborgen sein&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»›Hast Du mich lieb&quest;‹ fragte er noch einmal&comma; ›willst Du mein kleines Frau sein&quest;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»›O ja – herzlich gern&comma;‹ sagte ich und ich weiß nicht&comma; ob es sehr geschickt &lpar;schicklich&rpar; vor mich war&comma; daß ich so schnell und ohne Besinnen mein Jawort gab&comma; aber ich konnte nicht anders&comma; ich hatte ja mein Alfred schon lange still in mein tiefster Herz geliebt&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Und nun küßte er mir auf die Stirn und nannte mir seine Braut&period; Mein Seligkeit war ohne Grenzen&comma; ich war nicht mehr verlassen&comma; hatte mit ein Mal ein wonnige Heimat gefunden&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Als wir uns verlobt hatten&comma; gingen wir sogleich zu Fräulein Raimar und Alfred stellte mir als seine Braut vor&period; O&comma; Ilse&excl; Du hättest die erstaunte Gesichter sehen müssen&excl; Es war zu spassig&excl; Fräulein Raimar weniger&comma; sie weiß immer so gut ihr Gesicht in die gleiche Falte zu legen&comma; man weiß nicht&comma; ob sie Freude oder Trauer hat&period; Aber ich glaube&comma; diesmal hatte sie Freude&comma; denn sie nahm mich in ihr Arm und küßte mir&period; Zu Alfred sagte sie&colon; ›Wie ist das so schnell gekommen&comma; Herr Doktor&quest; Ich habe niemals von Ihr Neigung gemerkt&period;‹<&sol;p>&NewLine;<p>»›Ich bin selbst erst klar geworden&comma; als ich Nellie verlieren sollte&comma;‹ sagte Alfred und bat Fräulein Raimar&comma; die Gouvernante abzubestellen und mir unter ihr mütterlicher Schutz zu behalten&comma; bis wir heiraten&period; Sie hat es versprochen&period; So blieb ich hier und packte meine ganze Siebensachen wieder aus&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Miß Lead glückwünschte mir auch&comma; aber wenn sie auch meiner Landsmann ist&comma; war sie doch kalt wie ein Frosch&period; Ich glaube&comma; sie hat viel Neid&period; Aber ich mache mir nix davon und strahle voll Wonne&period; Fräulein Güssow freut sich furchtbar über mein Glück&comma; ich habe sie so lieb als eine Schwester und bitte jetzt alle Tag der liebe Gott&comma; daß er sie von ihr schwer’ Beruf ablöse&comma; sie ist zu gut für ein streng’ Lehrerin&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Unsre Freundinnen waren reizend nett&excl; das heißt nicht alle&comma; denn Melanie und Grete sind schnell abgereist&comma; weil ihr Mutter krank war&comma; sie wissen noch nichts&period; Orla beschenkte mir gleich mit ein kostbar Armband zum Andenken und zur Freude über unsre Verlobung&period; Das klein’ Lachtaube konnte vor Lachen kein Wort sagen&period; Rosi sprach ›artige‹ Worte wie immer&comma; und Flora&quest; Sie machte ein lang Gesicht und sah Alfred mit ein schwärmerischer Blick an&comma; dann drückte sie uns stumm die Hände&period; Gestern hat sie mir mit ein lang ›Elegie an ein Braut‹ beglückt&comma; sie ist sehr schön wie alle Gedichte von Flora&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Heute früh ist mein Alfred abgereist zu sein Mutter&comma; das war ein sehr schwer’ Abschied&excl; Wir fühlten uns gegenseitig ein wenig schwanken&comma; doch ließe wir die Kopfe nicht fallen&period; Ich schluckte die Thränen tapfer hinter&comma; Fräulein Raimar sollte mir nicht schwächlich sehen&period; Alfred kommt ja auch bald zurück&comma; nur acht Tage ist er fort&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nun leb’ wohl&comma; dear Ilschen&period; Ich habe Dir ein langer&comma; langer Brief geschrieben&comma; nun antworte mich gleich&comma; bitte&comma; bitte&excl; Ich freu’ mir furchtbar auf Dein Brief&comma; Du kommst doch zu mein Hochzeit&quest; Neujahr werden wir getraut&period; Tausend Küsse&comma; mein Herzkind&comma; und grüße Deine lieber Eltern und das klein Babi von<&sol;p>&NewLine;<p style&equals;"text-align&colon; right&semi;">Dein<br&sol;>seligste Nellie&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>&nbsp&semi;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nellie Doktor Althoffs Braut&excl;« rief Ilse jubelnd&period; »Nun wird sie keine Gouvernante&comma; Mama&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>»Nein&comma; nun hat sie die beste Heimat gefunden&excl;« entgegnete Frau Macket&comma; die zuweilen über Nellies komische Ausdrücke gelacht&comma; zuweilen aber auch eine Thräne der Rührung nicht zu unterdrücken vermocht hatte&comma; »sie ist dem alleinstehenden Kinde von Herzen zu gönnen&period; Es muß ein liebes&comma; drolliges Geschöpfchen sein&comma; ihr Brief giebt ein sprechendes Zeugnis davon&period;«<&sol;p>&NewLine;<p>Wenn Ilse auf dieses Kapitel kam&comma; war sie unerschöpflich&period; Frau Anne mußte sie ernstlich mahnen&comma; sich anzukleiden&period;<&sol;p>&NewLine;<p><img style&equals;"display&colon; block&semi; margin-left&colon; auto&semi; margin-right&colon; auto&semi;" src&equals;"&sol;Emmy-von-Rhoden&sol;Der-Trotzkopf&sol;022&period;jpg&quest;m&equals;1382220853&" alt&equals;"" width&equals;"697" height&equals;"700"><&sol;p>&NewLine;<p>»Gleich&comma; Mama&comma; gleich&excl; Ich werde mich furchtbar eilen&excl;« Aber zwischen Thür und Angel wandte sie sich noch einmal&comma; um zu fragen&comma; warum Doktor Althoff sich wohl gerade in Nellie verliebt haben möge&period; Die Antwort auf diese sonderbare Frage wartete sie indes nicht ab&comma; sondern sprang die Treppe hinauf&comma; immer zwei Stufen auf einmal nehmend&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Nellie Braut&excl;« Ihre Gedanken konnten sich nicht davon trennen&period; Sie durchlebte mit der Freundin das wichtige Ereignis von Anfang bis Ende und war so der Gegenwart entrückt&comma; daß sie lauter Verkehrtheiten machte&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Anstatt des weißen Battistkleides hatte sie ihr Morgenkleid übergezogen&comma; sie merkte es erst&comma; als sie die blaßroten Schleifen daran befestigen wollte&period; Eilig machte sie ihren Fehler gut&period; Aber ihre Toilette war noch nicht vollständig vollendet&comma; als sie dem Verlangen nicht widerstehen konnte&comma; erst noch einmal Nellies Brief zu durchfliegen&period; »Haben Sie mich lieb&quest;« »Willst Du mein kleine Frau sein&quest;« Diese Stelle war zu schön&comma; sie mußte sie nochmals lesen&comma; dann ließ sie den Brief in den Schoß sinken und sann und träumte&comma; ohne daß sie es wußte&comma; wiederholten ihre Lippen die Worte&colon; »Hast Du mich lieb&quest;«<&sol;p>&NewLine;<p>Der Ruf der Mutter&comma; die an die verschlossene Thür klopfte&comma; schreckte sie auf und brachte sie in die Wirklichkeit zurück&period; Da lagen die Schleifen&comma; dort die Blumen&comma; an nichts hatte sie gedacht&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Geh nur hinunter&comma; Mama&comma; ich folge dir gleich&excl;« rief sie und sprang in die Höhe&period;<&sol;p>&NewLine;<p>Aber Frau Anne ließ sich nicht abweisen&comma; »sie müsse erst Ilses Anzug prüfen&comma;« rief sie zurück&period;<&sol;p>&NewLine;<p>»Noch nicht fertig&excl;« schalt sie eintretend&period; »O&comma; du böse Ilse&comma; was hast du gemacht&quest; Warum ließest du dir nicht von Sofie helfen&comma; wenn du allein nicht fertig werden konntest&excl; Nur schnell&comma; schnell&excl; Jeder Augenblick ist kostbar&excl;«<&sol;p>&NewLine;<p>Unter ihren geschickten Händen stand Ilse bald fertig geschmückt da&period; Frau Anne betrachtete sie mit freudigen Blicken&comma; so reizend hatte sie ihr Kind noch niemals gesehen&period; War der duftige Anzug daran schuld&quest; Oder hatten die Augen einen besonderen Glanz&quest;<&sol;p>

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